Verschlungene Wege: Roman (German Edition)
zerkratzten Gesicht fliehen, die Stiefel noch in der Hand.«
»Wie hat sie ausgesehen?«
»Wie bitte?«
»Das Skihäschen. Die Frau. Ich bin einfach nur neugierig.«
»Eine gut aussehende Brünette, soweit ich weiß. Sie soll ungefähr zehn Jahre älter als Reuben gewesen sein. Danach hat sie ihn noch ständig auf der Ranch angerufen, hat geheult, gefleht, geschimpft. Und eines Abends gestand mir Reuben bei einem Bier, dass er nach dieser Erfahrung endgültig die Schnauze voll habe von verheirateten Frauen.«
»Das kann ich mir vorstellen.« Sie bogen schon in den Weg zu Brodys Hütte ein. »Ich nehme an, Brendas Bruder Dean hatte gestern Abend eine heiße Verabredung.«
»Oder eine Pokerrunde.« Pete schnalzte mit der Zunge. »Denn sobald der Kerl auch nur zehn Dollar in der Tasche hat, gibt er sie sofort für eine Runde Texas Hold’Em aus. Deshalb ist er auch dauernd pleite und schnorrt Brenda um Geld an. So eine Spielsucht ist mindestens so schlimm wie eine Heroinsucht.«
Er hielt direkt vor der Hütte. »Wie ich gehört habe, war hier gestern Abend die Hölle los.«
»Das hat sich anscheinend mittlerweile schon überall rumgesprochen.«
»Lass dich nicht fertigmachen, Reece.«
Neugierig drehte sie sich zu ihm um. »Wieso hältst du mich eigentlich nicht für verrückt?«
»Wer sagt denn, dass du nicht verrückt bist?« Er grinste. »Das ist doch jeder bis zu einem gewissen Grad. Aber wenn du sagst, dass sich hier jemand rumgetrieben hat, glaube ich das auch.«
»Danke.« Sie öffnete die Autotür und drehte sich noch einmal lächelnd zu ihm um, bevor sie ausstieg. »Danke, Pete.«
»Keine Ursache.«
Doch für sie bedeutete das enorm viel. Auch wenn ihr die Cops nicht glaubten – Pete glaubte ihr. Und Brody, Linda-Gail und Joanie ebenfalls. Doc Wallace vermutete, dass ihr das Unterbewusstsein einen Streich spielte, aber er wollte ihr aufrichtig helfen. Mac Drubber dachte bestimmt, bei ihr sei eine kleine Schraube locker, aber er kaufte Parmesan, weil sie welchen wollte.
Es gab durchaus Menschen, die auf ihrer Seite waren. Und eine weitere Fährte, der sie nachgehen konnte.
Sie traf Brody auf der hinteren Veranda an. Er trank Cola und las ein Taschenbuch.
Er hob den Kopf, und deutlich erfreut über das, was er da sah, begann er über das ganze Gesicht zu strahlen. »Na, wie war’s heute?«
»Schon ein bisschen besser. Der Doc ist froh, dass ich etwas zugenommen habe, und wollte mir weismachen, dass der Mann mit der orangeroten Mütze unter Umständen nur eine Manifestation meiner Ängste sowie meiner Schuldgefühle als Überlebende ist. Aber er bleibt offen für andere Erklärungsmöglichkeiten, solange ich es auch bin. Mr. Drubber hat frischen Parmesan für mich bestellt, und Pete gab mir eine kurze Zusammenfassung des Liebeslebens von ein paar Typen hier aus dem Ort.«
»Da hast du ja einiges herausgefunden.«
»Und noch etwas: Lo hat Linda-Gail wegen gestern Abend angelogen.«
»Er ist bekannt dafür, ein Schürzenjäger zu sein.« Brody legte das Buch zur Seite. »Du hältst Lo für einen Mörder?«
»Er wäre mir wirklich als Letztes in den Sinn gekommen. Mist, ich mag ihn, und meine Freundin ist in ihn verliebt. Aber ist es normalerweise nicht immer der, von dem man es am wenigsten erwartet? Funktioniert der Plot nicht meistens so?«
»In Romanen, und zwar nur in guten Romanen, mag das so sein. Lo zerrt eine nach der anderen ins Bett, Bohnenstange, aber er erwürgt sie nicht.«
»Aber wenn ihn eine irgendwie erpresst und ihn bedrängt hat, bis er ausgerastet ist?« Sie ging neben Brodys Stuhl in die Hocke. »Reuben hatte letzten Winter eine heiße Affäre mit einer verheirateten Frau, bei der es am Ende zu Handgreiflichkeiten kam.«
»Du verdächtigst alle, vom Schürzenjäger bis zum singenden Cowboy?«
»Es dürfte nicht allzu schwer herauszufinden sein, wo er gestern Abend war. Vor elf hat er im Joanie’s nicht mit dem Streichen angefangen. Und Brendas Bruder ist überhaupt nicht aufgetaucht.«
»Du setzt sie also alle auf die Verdächtigenliste, weil du nicht weißt, wo diese drei Typen gestern Abend zur fraglichen Zeit waren?«
»Irgendwo muss ich ja anfangen, mich zu wehren. Ich werde herausfinden, wo sie waren, um sie dann von der Liste zu streichen. Und wenn ich das nicht kann, bleiben sie verdächtig.«
»Und das willst du mit jedem Mann aus Angel’s Fist machen?«
»Wenn’s sein muss. Ein paar kann ich schon mal abhaken. Hank – wegen seines Vollbarts und seiner
Weitere Kostenlose Bücher