Verschlungene Wege: Roman (German Edition)
vor dem Angel Food hielt und sie zu ihrem Fenster hochsah, spürte sie, wie ihr Rückgrat schlappmachte und ihre Zähne klapperten. Trotzdem stieg sie aus und wollte nach ihrem Rucksack greifen, den er von seiner Seite aus jedoch bereits aus dem Wagen geholt hatte.
Und so stand sie auf dem Bürgersteig, schwankend zwischen Stolz und Panik.
»Probleme?«
»Nein. Ja. Verdammt. Jetzt, wo Sie mich ohnehin schon hergefahren haben – würde es Ihnen da was ausmachen, mich kurz hochzubegleiten?«
»Um nachzusehen, ob Michael Myers auf Sie lauert?«
»So ähnlich. Sie dürfen Ihr Kompliment in Bezug auf mein Rückgrat, falls es denn eines war, gern wieder zurücknehmen.«
Er schulterte nur ihren Rucksack und folgte ihr um das Gebäude herum. Als sie ihren Schlüssel herausgefischt und die Tür aufgesperrt hatte, stieß er sie eigenhändig auf und ging ihr voran. Das senkte seinen Unsensibilitätsquotienten. Er hatte weder gegrinst noch eine blöde Bemerkung gemacht, sondern war einfach vorausgegangen.
»Was zum Teufel machen Sie hier drin?«
»Wie bitte?«
»Kein Fernseher«, erklärte er. »Keine Stereoanlage.«
»Ich bin gerade erst eingezogen, ehrlich. Ich verbringe nicht sehr viel Zeit hier.«
Er sah sich neugierig um, und sie ließ ihn gewähren. Viel gab es ohnehin nicht zu sehen.
Das sorgfältig gemachte Bett, das Sofa, die Barhocker. Aber ihm fiel auf, dass es irgendwie feminin roch. Trotzdem konnte er keinerlei Anzeichen für den typisch weiblichen Nestbautrieb entdecken. Nichts Dekoratives, Überflüssiges, keinerlei Souvenirs von ihren Reisen.
»Schöner Laptop.« Er berührte ihn kurz.
»Sie sagten, Sie hätten Hunger.«
Er sah von ihrem Computer auf und bemerkte, wie verloren sie in dem beinahe leeren Raum wirkte. »Hab ich das?«
»Vorhin. Denn wenn, könnte ich Ihnen was zu essen machen. Als Wiedergutmachung. Dann wären wir quitt.«
Sie sagte es ganz beiläufig, aber er hatte ein gutes Gespür für andere Menschen – und diese Frau wollte noch nicht allein sein. Er war ohnehin hungrig und wusste aus eigener Erfahrung, dass sie kochen konnte.
»Was denn?«
»Hm.« Sie fuhr sich durchs Haar und warf einen Blick auf die Kochzeile. Man sah ihr an, wie sie in Gedanken sämtliche Vorräte durchging. »Ich könnte was mit Huhn und Reis improvisieren. Zwanzig Minuten?«
»Prima. Haben Sie Bier da?«
»Nein, tut mir leid. Ich hab Wein.« Sie verschwand in der Kochnische. »Einen guten Weißen. Er ist kalt gestellt.«
»Einverstanden. Frieren Sie?«
»Wie bitte?«
»Denn wenn nicht, könnten Sie Ihre Jacke ausziehen.«
Sie holte erst den Wein aus dem Kühlschrank und einen Korkenzieher. Dann nahm sie zwei Hühnerbrüste ohne Haut aus dem winzigen Gefrierfach. Sie würde sie auftauen müssen, zumindest teilweise, in der winzigen Mikrowelle, aber das ließ sich nun mal nicht ändern.
Während sie ihre Jacke nahm und nach seiner griff, die er über einen Stuhl geworfen hatte, um sie aufs Bett zu legen, machte Brody den Wein auf.
»Ich hab bloß normale Wassergläser.« Sie drehte sich um und öffnete einen der Schränke. »Ehrlich gesagt war der Wein eher zum Kochen gedacht.«
»Sie servieren mir Kochwein. Na dann: Prost Mahlzeit! «
»Das ist ein guter Wein«, sagte sie leicht verärgert. »Ich koche nicht mit Wein, den ich nicht auch trinken würde. Es ist ein sehr guter Pinot Grigio. Ein Zum Wohl! wäre angebrachter.«
Er schenkte etwas davon in ein Glas ein, das sie ihm gab. Dann griff er über ihren Kopf hinweg nach einem zweiten und schenkte nochmals ein. Er probierte und nickte. »Wie ich sehe, verstehen Sie auch etwas von Wein. Wo haben Sie das Kochen gelernt?«
Sie wandte sich ab und machte sich an die Arbeit. »Überall ein bisschen.«
»Unter anderem in Paris.«
Sie holte eine Knoblauchzehe und eine Frühlingszwiebel heraus. »Warum fragen Sie, wenn Ihnen Doc Wallace sowieso schon alles erzählt hat?«
»Ehrlich gesagt, war es Mac, und der hat es wiederum vom Doc. So ist das nun mal in so einem kleinen Ort wie hier.«
»Verstehe.« Sie nahm einen Topf heraus, um Wasser für den Reis aufzusetzen.
Brody griff nach seinem Glas, setzte sich auf einen Hocker und sah ihr beim Kochen zu. Kompetent, dachte er. Gut organisiert und gleichzeitig kreativ. Die Nervosität, die sie sonst umgab, war wie weggeblasen, sobald sie in ihrem Element war.
Sie müsste nur ein bisschen mehr von dem essen, was sie da zubereitete, und mindestens fünf Kilo zulegen. Gewicht, das sie wahrscheinlich
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