Verschollen
Lähmzauber.«
Tristan versuchte sich zu konzentrieren und deutete auf die Male, die er für die richtigen hielt.
»Stimmt«, bestätigte Martin. »Nimm das mittlere Stärkemal, tippe die Male an und ziele auf einen Oger, verstanden? Sieh nicht zu lange hin, konzentriere dich auf die Male.« Ohne eine Antwort abzuwarten, hob er Tristan mit Leichtigkeit hoch und trug ihn auch ohne große Mühe auf den Schultern.
Besonders weit konnte Tristan aber dennoch nicht sehen, denn einige Oger standen nicht weit entfernt. Er versuchte sich zu beruhigen und nur auf die Male zu starren und das brutale Chaos um sich herum irgendwie auszublenden. Dennoch zitterten seine Hände noch immer, als er nacheinander die Male berührte, kurz hoch sah und den erstbesten Oger aufs Korn nahm. Der erstarrte mitten in der Bewegung und fiel um, begrub sogar einige Wolfsmenschen unter sich. Tristan zwang sich, den Blick schnell wieder abzuwenden und wiederholte das Ganze, aber nach zwei weiteren Zaubern musste er innehalten. Er schwitzte und keuchte, sein Herz schlug wild und das nicht mehr nur vor Angst.
»Übertreib es nicht«, mahnte Martin.
Tristan gönnte sich eine kurze Pause und wartete, bis er wieder zu Atem gekommen war. Er blickte flüchtig zu ihrer Gruppe hinüber. Deren Vormarsch war mittlerweile zum Halten gekommen, einige Oger, obwohl zum Teil schon mit Dutzenden Pfeilen gespickt, drangen auf sie ein, versuchten sie mit ihren Keulen zu zermalmen. Doch knapp über den Köpfen der Nahkämpfer prallten die Hiebe wie von einem unsichtbaren Schild ab. Tristan sah, dass einige der Schützen ihre Bögen beiseite gelegt hatten und die Hände vor sich hielten, sie wirkten Schildzauber. Doch einer von ihnen wankte bedenklich, als wieder ein Oger zuschlug, obwohl er meterweit entfernt stand. Die Schilde würden sie wohl nicht mehr lange …
»Vorsicht!« Martin riss Tristan von seinen Schultern, zückte seine Axt und sprang auf einen Wolfsmenschen zu, der plötzlich in dem Halbkreis aufgetaucht war, den die Nahkämpfer ihrer Gruppe um die Einmündung der Gasse gebildet hatten. Woher …?
Da flogen zwei weitere Wolfsmenschen über die Nahkämpfer hinweg und landeten mit rudernden Armen unter den Schützen. Tristan sah, wie ein Oger einen weiteren Wolfsmenschen packte und einfach über die Paladjur hinweg warf, wie einen Mehlsack.
»Schnell, Tristan!« Johanns Stimme klang erschreckend schwach. Er schwebte nicht mehr, sondern stand mit vor Anstrengung grauem Gesicht an eine Hauswand gelehnt. Nur noch selten feuerte er einen Zauber ab. »Hilf ihnen«, krächzte er.
Obwohl ihn angesichts der unmittelbaren Gefahr die Angst wieder zu übermannen drohte, reagierte Tristan und feuerte einen Lähmzauber ab, doch der Wolfsmensch, auf den er gezielt hatte, sprang zur Seite, sodass ein Oger hinter ihm getroffen wurde. Das nutzte dem Wolfsmenschen jedoch auch nichts, denn er landete in der Nähe von Martin, der seine Streitaxt brüllend, aber mit Präzision schwang und den Wolfsmenschen niedermachte, während Noldan mit einem zweiten kämpfte.
Fauchend sprang der dritte auf Meister Johann zu und Tristan erkannte mit Schrecken, dass der alte Paladin nur müde den Arm hob, zu schwach, sich zu wehren. Tristan musste etwas tun und so stürzte er, ohne groß zu überlegen, mit erhobenem Schwert laut schreiend vor, um die Kreatur abzulenken. Tatsächlich fuhr der Wolfsmensch zu ihm herum und knurrte bedrohlich. Tristan blieb stehen, das Schwert zum Schlag erhoben. Sein Herz pochte ihm bis zum Hals und während er und die Kreatur sich anstarrten, schien die Welt um Tristan stillzustehen. Er nahm nichts anderes mehr wahr, sah nur jede noch so kleine Bewegung des Wolfsmenschen überdeutlich.
Als sein Gegner sich wieder Meister Johann zuwandte, schlug Tristan zu. Er kniff unwillkürlich die Augen zusammen, als die Klinge auftraf. Es gab ein hässliches Geräusch, dann heulte der Wolfsmensch auf und Tristan öffnete die Augen. Sein Gegner war in die Knie gesunken, die Schneide des Schwertes steckte tief in seiner Seite und Blut schoss in Strömen aus der Wunde. Gleichzeitig angewidert und fasziniert starrte Tristan auf die Verletzung, die er der Kreatur beigebracht hatte. Seine Schwerthand zitterte so heftig, dass er die Waffe loslassen musste, doch von dem Wolfsmensch ging keine Gefahr mehr aus. Er fiel auf die Seite und blieb liegen.
Tristan ballte die Hand zur Faust, um das Zittern zu kontrollieren, aber mittlerweile schüttelte es seinen ganzen
Weitere Kostenlose Bücher