Verschollen
»Junger Bursche ist Paladin?«, fragte sie zweifelnd.
Martin nickte. »Was genau hast du getan, dass du als Heldin giltst?«, fragte er.
Rani schnaufte. »Heldin? Wer sagen? Ich allein in Tunneln lebe, wie einige andere auch. Nur manchmal Nachrichten kommen. Wie die von Kaiser, dass Paladine Hilfe brauchen. Wobei, ich nicht weiß, nur treffen hier. Wo andere sind?«
»Wir ziehen mit einer Armee nach Westen«, erklärte Martin. »Die anderen Paladine sind im Lager, draußen vor der Stadt, sollen wir dich dorthin bringen?«
Rani nickte und rutschte vom Stuhl. »Gleich. Hier stinken, zu viele Menschen, zu viel totes Großtier.«
Martin schob Tristan ein paar Münzen über den Tisch und stand auf. »Ich bringe Rani zum Lager, iss du mal auf und bezahle. Bis später.«
Ehe Tristan protestieren konnte, drängten die beiden sich schon durch die Menge zum Ausgang. Er sah ihnen nach, ein seltsames Paar, die kleine Gnomin und der hoch aufgeschossene Mann. Gnomenheldin. Beinahe hätte er laut aufgelacht. Irgendeine Einsiedlerin hatte der Kaiser ihnen geschickt, aber offenbar kannte sie sich in den Tunneln wenigstens aus.
Trotz ihres Geredes über tote Großtiere, Schnecken, Würmer und Asseln war Tristans Hunger immer noch nicht gestillt und sein Appetit kehrte zurück. Er verschlang das restliche Fleisch und schmierte sich noch eine dicke Scheibe Brot mit der Creme, dann winkte er der Magd, als sie vorbei eilte, und bezahlte. Er bekam einige kleine Münzen zurück und schob sie sich in die Hosentasche.
Als Tristan gerade überlegte, ob er noch sitzen bleiben oder die Taverne verlassen sollte, kam Ilgar schon bedenklich wankend auf ihn zu. Er hatte knapp ein Dutzend Soldaten im Schlepptau und ließ sich ungefragt auf Martins Stuhl nieder.
»Das isser«, lallte er zu den Soldaten hin. »Der grooooooooße Paladin Tristan, Sohn vom noch viel grööööööööößeren Paladin Darius.« Er grinste dümmlich, die Soldaten um ihn herum reagierten unterschiedlich. Einige, die ähnlich angetrunken waren wie Ilgar, stellten ebenfalls ein unverschämtes Grinsen zur Schau, andere blickten Tristan neugierig an, einer oder zwei schauten verlegen zu Boden.
»Ihr wisst schon«, fuhr Ilgar fort. »Der Darius, der die Paladine in ihr Verderben führte, der uns allen gezeigt hat, dass sie keine Götter sind, nur Menschen mit ein bisschen mehr Zauberkraft.«
Tristan kniff die Lippen zusammen und zwang sich ruhig zu bleiben, trotzdem spürte er Wut in sich aufsteigen. »Du bist betrunken, Ilgar«, presste er hervor. »Halt besser den Mund.«
Ilgars Grinsen erlosch schlagartig. »Will der grooooße Paladin mir den Mund verbieten, ja? Du wärest normalerweise nicht mal ein Knappe, du weißt gar nichts und du willst mir etwas verbieten?«
Einer der noch nüchternen Soldaten legte Ilgar die Hand auf die Schulter. »Lass gut sein, Ilgar. Vielleicht wäre es besser …«
Ilgar sprang so plötzlich auf, dass sein Stuhl umkippte, und stieß den Soldaten weg. »Hast wohl Angst vor dem Halbgott , was? Er ist keiner, kann nur ein bisschen mehr zaubern als ich, nichts weiter. Soll ich es dir beweisen?« Er drehte sich wieder zu Tristan um.
Fieberhaft überlegte der Junge, was er tun sollte. Einfach aufstehen und weggehen? Am liebsten hätte er Ilgar zu Eis erstarren lassen, aber er sollte sich nicht provozieren lassen. Andererseits wollte er auch nicht als Feigling dastehen und einfach davon rennen. Da kam ihm eine Idee.
»Wie wäre es mit Armdrücken?«, schlug er vor. Tristan deutete auf seinen schmächtigen Arm und dann auf das Muskelpaket von Ilgar. »Du müsstest mir wohl normalerweise den Arm brechen, oder?«
Ilgar zögerte, aber einer der Soldaten grunzte etwas wie »dolle Idee« und zustimmendes Gemurmel erhob sich. Nun gab es kein Zurück mehr. Ilgar setzte sich wieder und faltete provozierend langsam den Ärmel seines Hemdes zurück, dabei spannte er die Muskeln seines Unterarmes, der schon dicker war als Tristans Oberarm.
Tristan wartete einfach ab und versuchte sich ruhig zu geben. Er hoffte bloß, dass sie nah genug am Vulkan waren, damit das Portlet ihm noch die Kraft verlieh, um Ilgar zu besiegen. Andernfalls würde er dem Spott der Soldaten, womöglich gar der ganzen Taverne ausgesetzt sein.
Nachdem Ilgar sein Ritual beendet hatte – nicht ohne feixend seinen angespannten Bizeps zu kneten – pflanzte er seinen Ellenbogen auf den Tisch. »Dann komm, Paladin. Lass mich dein Ärmchen brechen. Ich heile ihn dir auch
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