Verschollen
hielt kurz an, die Offiziere begrüßten die Anführer der Vanamiri förmlich, unter den Soldaten gab es viel Getuschel, aber dann marschierte man weiter. Ein paar der Vanamiri liefen am Straßenrand mit, die anderen folgten unsichtbar im Wald.
Nach wenigen Meilen verließen sie die Hauptstraße und folgten einer schmaleren in Richtung Südwesten, was die Länge der Marschschlange noch einmal vergrößerte. Rastplätze gab es auf diesem Weg nicht und so blieben bald an jeder Lichtung am Wegesrand einige Dutzend Soldaten zurück und errichteten ihr Lager für die nahende Nacht. Jessica ließ ihren Trupp aber weiter marschieren und so kamen sie von ganz hinten recht nah zum Kopf der Schlange und schlugen gemeinsam mit den Offizieren das letzte Lager auf, als die Monde schon am Himmel aufzogen.
Während sie noch ihre Zelte errichteten, hörten sie plötzlich ein Heulen. Es kam zuerst von Süden, ein lang anhaltender, klagender Laut. Dann erscholl als Antwort das Heulen Dutzender anderer aus fast jeder Richtung.
»Sind das Wölfe oder Hunde?«, fragte Tristan an Martin gewandt, während er sich gerade seiner feuchten Kleider entledigte und die anderen aus dem Rucksack anzog, die immerhin halbwegs trocken geblieben waren.
Martin schüttelte den Kopf. »Nein, Wolfsmenschen. Tiere heulen anders.« Er schien beunruhigt. »Das klingt nach sehr vielen, vielleicht sogar an die hundert.«
»Aber wir sind doch fast zweitausend, was sollten sie uns anhaben?«
»Wir sind auf zig Lager verteilt und können fast nichts sehen, die Wolfsmenschen haben hingegen sehr gute Augen, auch bei Nacht sehen sie ausgezeichnet und im Wald sind sie geschützt und könnten sich anschleichen.«
»Doppelte Wachen!«, bellte ein Unteroffizier in der Nähe einige Soldaten an, als hätte er Martins Überlegungen gehört. »Behaltet den Waldrand im Auge.« Fackeln wurden entzündet und rund um das Lager in den Boden gerammt.
»Das Feuer wird die Wolfsmenschen fernhalten, oder? Aber was ist mit den Vanamiri?«, fragte Tristan.
»Die hocken oben in den Bäumen, da sind sie sicher. Ich habe gehört, sie sind nachts vollkommen blind und rühren sich deshalb kaum vom Fleck.«
Wie um Martin Lügen zu strafen, kam in diesem Moment ein Vanamir auf die Lichtung getorkelt. Er hielt die Hände vor sich wie ein Blinder, sein Kopf zuckte hin und her. In der Nähe einer Fackel blieb er stehen und rief: »Ich möchte die Paladine sprechen.«
Tristan sah zu Jessica hinüber, die wiederum einen Blick mit Pierre tauschte, Brenda war auf einer der anderen Lichtungen zurückgeblieben. Schulterzuckend gingen Jessica und Pierre zu dem Vanamir, nach kurzem Zögern schloss Tristan sich ihnen kurzerhand an.
»Danke, dass ihr kommt, werte Paladine.« Der Vanamir verneigte sich flüchtig. »Mein Lord schickt mich, um euch zu berichten, was die Wolfsmenschen rufen.«
»Das Heulen bedeutet etwas?«, fragte Pierre überrascht.
Der Vanamir nickte. »Ja, offenbar sind es nur Rüden, die heulen, und es sind Rufe nach ihren Gefährtinnen und ihren Welpen, die offenbar verschwunden sind.« Jessica und Pierre sahen einander ratlos an. »Mein Lord glaubt, ihr solltet versuchen, mit ihnen in Kontakt zu treten. Leider sind wir Vanamiri dabei des Nachts keine große Hilfe, ich wurde ausgewählt, weil ich immerhin noch ein wenig sehen kann, wenn es dunkel ist. Ich könnte mit euch kommen und übersetzen, wenn ihr es wünscht.«
»Aber wieso sollen wir mit ihnen sprechen?«, wandte Jessica ein. »Sie sind unsere Feinde.«
Pierre blickte nachdenklich. »Wir wissen bis heute nicht, warum sie den Nekromanten dienen, und vor allem, was sie dazu treibt, sogar mit den Ogern, ihren Todfeinden, zusammen ins Feld zu ziehen. Womöglich könnten wir etwas darüber erfahren, wenn wir ihnen unsere Hilfe anbieten.«
Jessica runzelte die Stirn. »Aber das sind doch wilde Bestien. Wie sollen wir mit denen …?«
»Verzeiht, edler Paladin«, unterbrach der Vanamir. »Aber da irrt ihr. Zwar haben die Wolfsmenschen gewiss keine hochentwickelte Kultur, aber sie stehen über den Tieren und sind von einer gewissen, wenn auch verschlagenen Intelligenz.«
»Trotzdem«, beharrte Jessica. »Wie stellt euer Lord sich das vor? Wenn wir mit ein paar Hundert Mann in den Wald vordringen, werden sie flüchten. Gehen wir mit wenigen, greifen sie möglicherweise an und wir riskieren Verluste.«
»Mein Lord hat das bedacht«, erwiderte der Vanamir. »Er schlug vor, dass nur die Paladine gehen.«
»Aber was,
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