Verschollen
wenn die Wolfsmenschen uns so nur herauslocken wollen? Vielleicht haben sie durch solche Scharaden auch die Armee der Paladine überlistet. Ihr sagtet doch selbst, sie seien verschlagen,« widersprach Jessica weiter.
»Wie weit sind sie entfernt?«, fragte Pierre, ohne auf die Einwände einzugehen.
»In dieser Richtung nicht weit, eine halbe Meile vielleicht«, antwortete der Vanamir.
»Wir können sie uns mit Schild- und Feuerzaubern vom Hals halten«, argumentierte Pierre. »Wir brauchen aber auch Tristan und noch einen Paladjur. Wenn die zwei Schildzauber wirken, können wir beide uns aufs Reden konzentrieren. Ich möchte gern herausfinden, was los ist. Vielleicht gelingt es uns, sie für unsere Zwecke einzuspannen, wenn wir ihnen helfen können, oder wir bekommen wenigstens Informationen.«
Jessica verzog den Mund, nickte dann aber. »Ich hole Tiana«, sagte sie. »Das Mädchen hat eine besonders große Ausdauer, wenn es ums Zaubern geht, habe ich mir sagen lassen.« Und ehe Tristan noch etwas einwenden konnte, verschwand sie in Richtung der Zelte und kam kurz darauf mit Tiana zurück.
»Hört zu«, wies Pierre die beiden an. »Ihr beide haltet einen Schildzauber bereit. Sobald wir auf die ersten Wolfsmenschen treffen, hüllt ihr uns alle in einen schwachen Schild. Sollten wir angegriffen werden, verstärkt ihr ihn und wir ziehen uns langsam zurück. Alle bleiben eng zusammen, verstanden?« Sie nickten. »Dann los.«
Der Vanamir führte die nah beieinander laufende Gruppe vorsichtig in den dunklen Wald. Nach wenigen Schritten war das wenige Licht der aufgestellten Fackeln nicht mehr zu sehen und fast völlige Finsternis umgab sie. Pierre zauberte eine Leuchtkugel herbei, die aber auch nur die nähere Umgebung erhellte. Tiana und Tristan gingen so eng nebeneinander, dass sich ihre Schultern berührten. Er blickte sich nervös in alle Richtungen um und bemerkte überrascht, dass Tiana nach seiner Hand griff. Er widerstand der Versuchung, sie abzuschütteln.
Immer wieder war um sie herum das Heulen der Wolfsmenschen zu hören und es wurde von vorn immer lauter. Aber da waren noch mehr Geräusche. Knackende Äste, raschelndes Laub, wispernde Zweige, huschende Schatten. Und dann waren sie plötzlich umzingelt.
Man sah nur die Augen der Wolfsmenschen, die das Licht der Leuchtkugel reflektierten und dadurch umso heller leuchteten. Sie hielten sich im Dunkel, ihr Knurren war zu hören. Jessicas Hand zuckte zum Schwert, doch Pierre hielt sie zurück. »Sprich mit ihnen«, bat er den Vanamir.
Der senkte den Kopf und plötzlich hörte Tristan ihn in seinen Gedanken fragen: »Wer ist euer Rudelführer?« Aufgeregtes Kläffen war die Antwort aus den Schatten. Die Wolfsmenschen sprangen hin und her. »Bringt euren Rudelführer her, wir wollen euch helfen.«
Ruhe kehrte ein. Die Augenpaare starrten sie noch immer aus der Dunkelheit an, aber die Wolfsmenschen gaben keinen Laut mehr von sich.
»Haben sie geantwortet?«, fragte Pierre leise.
Der Vanamir schüttelte den Kopf. »Aber ich denke, sie holen ihn.«
»Ich hier!« Mit diesen geknurrten Worten trat ein hochgewachsener Wolfsmensch aufrecht ins Licht. Er sah anders aus als die Exemplare, die Tristan bislang gesehen hatte, weniger dicht behaart, mit flacherer Schnauze – menschlicher. »Ich Nurif, Rudelführer. Was ihr wollen?« Die Worte kamen ihm schwerfällig und mit Knurrlauten durchsetzt über die Lefzen.
»Wir hörten eure Klage«, antwortete der Vanamir in der Sprache der Menschen. »Ihr sucht eure Gefährtinnen und eure Welpen?«
Nurif musterte jeden aus der Gruppe eingehend. »Richtig, aber nicht eure Sache das.«
»Vielleicht können wir euch helfen. Unsere Del-Sari könnten sie suchen und …«
»Wir wissen wo sind«, unterbrach Nurif grollend. »Totengötter haben geraubt. Uns gezwungen zu kämpfen, dann zurückbekommen sollen. Aber Totengötter betrogen.«
Jessica sog hörbar die Luft ein und auch Tristan verstand, dass der Wolfsmensch die Nekromanten meinte. Der Vanamir sah Pierre an, wusste offenbar nicht, was er darauf sagen sollte. Der Paladin zögerte kurz. »Unsere Armee wird gegen die Totengötter kämpfen.«
Nurif warf den Kopf in den Nacken und heulte. »Ihr nicht können. Sie unter Erde, eure Armee nutzlos.«
»Wir werden sie herauslocken«, erwiderte Pierre. »Werdet ihr uns helfen?«
Nurif stierte ihn eine Weile an. »Nein. Viele Brüder kämpfen noch für Totengötter, wir nicht kämpfen gegen Brüder. Wir suchen Höhle und
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