Verschollen
teilte die Wachen ein. Sie selbst übernahm mit Martin die erste und erkundete mit ihm den weiteren Weg, während die anderen ihre Flaschen füllten, es sich auf dem Fels so bequem wie möglich machten und aßen und tranken.
Als Tristan sich erschöpft in der Nähe der Brüder niederließ, schnaubte Ilgar auf und suchte sich demonstrativ einen anderen Platz. Tristan hatte das Gefühl, als seien alle in der Gruppe gegen ihn, auch die Blicke von Katmar und selbst von den Mädchen wirkten auf ihn anklagend. Der kurze Augenblick des gemeinsamen Erlebens der Schönheit dieses Ortes war verpufft. Die schlechte Stimmung hatte sie wieder im Griff und Tristan noch dazu die Schuldgefühle.
Martin nahm den freien Platz neben Tristan ein, als er mit Jessica zurückkehrte. »Es gibt nur zwei Ausgänge«, brummte er. »Gefällt mir nicht besonders, zu leicht könnte man uns hier einschließen.«
Da Tristan auf die Aussage nicht im mindesten reagierte, blickte Martin ihn eine Weile an und legte ihm dann die Hand auf die Schulter. »Keiner gibt dir oder mir die Schuld, Junge«, sagte er mitfühlend. »Oder wenn doch, dann haben sie unrecht damit. Hätten wir gemerkt, was passiert ist und ihm geholfen, hätten wir womöglich eines der Mädchen verloren. Alle wussten, dass unsere Mission hier Gefahren birgt und wir womöglich nicht alle wieder zur Oberfläche gelangen. Also, red dir keine Schuldgefühle ein, Tristan.« Noch einmal nickte er ihm aufmunternd zu, dann stand er auf und gesellte sich wieder zu Jessica.
Tristan versuchte den Rat zu beherzigen, doch letztendlich war es die Erschöpfung – mehr geistig, als körperlich -, die dafür sorgte, dass die düsteren Gedanken verblassten, er es sich auf dem harten, feuchten Boden so bequem wie nur möglich machte und bald einschlief.
Tristan glaubte, nur Minuten geschlafen zu haben, als er unsanft geschüttelt wurde. Schlaftrunken öffnete er die Augen, um zu sehen, wer ihn geweckt hatte, doch niemand stand neben ihm. Was hatte das zu bedeuten? Wieder schüttelte es ihn durch und langsam drang die Ursache in sein verschlafenes Bewusstsein und er war schlagartig hellwach. Die Erde bebte!
Martin, der noch immer Wache hielt, reagierte als Erster. »Aufwachen!«, brüllte er. »Ein Erdbeben!« Seine Stimme hallte laut von den Wänden der Höhle wider.
Ruckartig richteten sich alle auf, Martin trieb sie auf die Füße und schulterte schon seinen Rucksack. Auch Jessica kam herbeigeeilt. Das Wasser des Sees bildete kleine Wellen, die zu ihnen ans Ufer schwappten.
»Was war das?«, fragte sie. »Haben sie wieder einen Eingang gesprengt?«
Rani schüttelte den Kopf. »Wir zu tief. Vulkan.«
»Wohin?«, fragte Jessica gehetzt. »Wo ist es sicher?«
Doch die Gnomin hob nur die Handflächen nach oben zum Zeichen, dass sie auch nicht wusste, welcher der beiden Ausgänge der ratsamere war.
»Schei…« Jessicas Fluch blieb unvollendet, denn ein besonders heftiger Erdstoß warf sie zu Boden. Ilgar, der gerade seinen Rucksack schultern wollte und sich deshalb nicht abstützen konnte, stolperte und fiel mit rudernden Armen in den See. Lautes Platschen war zu hören, große Felsbrocken stürzten von der Decke der Kaverne in den See und immer größere Wellen schwappten auf sie zu, als sie Ilgar aus dem Wasser halfen. Ein Rumoren quoll aus den Tunneln, als stürzten tausende Tonnen Geröll herab.
»Schildzauber«, rief Jessica über das Chaos.
Die Fackeln waren von einer Welle fortgespült worden, einzig Jessicas Leuchtkugel spendete noch Licht und Tristan suchte die richtigen Male, aber er konnte kaum etwas erkennen. Langsam kehrte wieder Ruhe ein, der aufgekommene Staub legte sich, das Grollen verebbte. Vorsichtig standen alle, die gefallen waren, wieder auf.
»Vorsicht«, mahnte Rani. »Vielleicht noch ein Stoß von Vulkan kommt.«
Plötzlich fiel Tristan das Portlet ein. »Welcher Vulkan war das denn?«
»Iphigon«, erwiderte Rani. »Wenn Telargon wäre, alles hier einstürzen würde.«
Wenn der Iphigon ausbrach, dann … »Aber das bedeutet ja …«, begann Tristan.
»Das bedeutet nur, dass wir uns noch mehr beeilen müssen«, unterbrach ihn Jessica und ihre Augen blitzten warnend in seine Richtung. »Solche Beben können einen Ausbruch ankündigen, müssen aber nicht unbedingt etwas bedeuten«, wiegelte sie ab. »Dennoch sollten wir lieber nicht mehr hier sein, wenn es wirklich zu einem Ausbruch kommen sollte.« Sie atmete einmal tief durch. »Ist jemand verletzt?«
Alle
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