Verschollen
»Ihr seid seine Söhne, nicht wahr?« Er senkte den Kopf. »Es tut mir leid. Ich weiß, es macht ihn nicht lebendig, aber er war sehr tapfer. Sie wollten wissen, wo das Portlet ist, aber wir haben das Geheimnis bewahrt, selbst als wir zusehen mussten, wie sie …« Er brach ab.
»Wer hat sie gefoltert?« Jessicas Stimme bebte. »Mardra selbst?«
»Mardra habe ich nicht zu Gesicht bekommen, nur die Untoten, die er kontrolliert hat. Nein, seine Adepten haben uns gefoltert.«
»Adepten?«, echote Jessica.
Darius nickte. »Mardras Söhne, sie nennen sich Adepten. Fünf solche Zöglinge hat er, soweit ich das verstanden habe. Der jüngste ist kaum älter als Tristan, aber sie sind einer grausamer als der andere.«
»Sind sie etwa auch Nekromanten?«
»Ja, es ist genau wie bei den Paladjur. Sie können viele Zauber wirken, aber es fehlen ihnen einige Male und das Portlet verleiht ihnen keine Kräfte.«
Jessica stöhnte. »Also mindestens sechs Nekromanten gegen uns, das ist mehr, als wir befürchteten. Dennoch, wie konnten sie euch besiegen? Darüber rätseln wir immer noch.«
Darius sah sich um und zeigte auf etwas. »Bringst du mir bitte den Pfeil dort drüben, Tiana? Aber vorsichtig, die Spitze trägt ein Gift.«
Sie ging zu der angegebenen Stelle und hob behutsam einen kleinen schwarzen Pfeil auf. Er war denen sehr ähnlich, die sie im Tal der Paladine gefunden hatten. Darius nahm ihn entgegen und betrachtete ihn eine Weile versonnen auf seinem Handteller.
»Es war ein Hinterhalt, das wurde uns schnell klar. Aber als sie William und mich damals angriffen, war es allein ihre Übermacht, mit der sie uns bezwangen. Und genau die konnten sie in dem engen Tal nicht nutzen, in das sie uns gelockt hatten. Wir bildeten einen Kreis, die Knappen im Innern woben einen starken Schildzauber und so prallte Welle um Welle von Ogern und Wolfsmenschen von uns ab und wir streckten sicher über hundert von ihnen nieder. Wir waren siegessicher und rückten sogar weiter vor, weil wir der Anführer habhaft werden wollten.
Doch dann kamen die Adepten. Jeder von ihnen hatte eine Armbrust, umgebaut, sodass sie mit jedem Schuss ein Dutzend dieser Pfeile auf uns abschossen. Sie tragen Runen, siehst du? Damit drangen sie einfach durch unseren Schild. Bald waren wir alle gespickt davon und das Gift entfaltete seine Wirkung.« Darius schüttelte den Kopf. »Bei den ersten Anzeichen befahl ich einen Durchbruch zu versuchen, um aus dem Tal zu entkommen, aber das Gift wirkte zu schnell. Plötzlich waren wir alle müde und erschöpft, konnten keine Zauber mehr wirken.« Er holte zitternd Luft. »Der Schild brach zusammen und dann fielen sie über uns her, Oger und Wolfsmenschen. Ich wurde niedergeschlagen und von einem der Oger einfach weggeschleppt, fort von dem Gemetzel, das gefolgt sein muss.
Später brachten sie uns Überlebende mit den Leichen zusammen fort. Ich war wie gelähmt von dem Gift, konnte sehen, hören, aber kaum den Arm heben. Sie sperrten uns hier ein, gaben uns gerade genug zu essen und zu trinken, um uns überleben zu lassen, und immer wieder stachen sie uns mit den Pfeilen, sodass wir uns nicht erholten.« Er schüttelte den Kopf, rang um Fassung.
Jessica hielt sich bestürzt die Hand vor den Mund, in ihren Augen glitzerten Tränen. Auch Tristan hatte dem Bericht seines Vaters gebannt gelauscht und spürte nur Entsetzen. Wie sollten sie hier jemals wieder herauskommen, wenn die Adepten über eine solche Waffe verfügten?
Nach einer langen Pause fragte Jessica: »Hat das Gift auch bei den Nobos gewirkt?«
Darius nickte. »Sie fielen vor Erschöpfung einfach um, als wir gerade erst bemerkten, wie es zu wirken begann.«
»Oh nein«, flüsterte Jessica. »Die Armee … sie wird nicht den Hauch einer Chance haben.«
»Armee? Bitte, Jessica, erzähl mir, was los ist.«
Sie berichtete ihm von Johanns Plan. »Wenn es zur Konfrontation kommt, werden sie verlieren«, endete sie verzweifelt. »Sie rechnen mit Untoten, vielleicht auch mit den Runenpfeilen, aber dieses Gift …«
Darius fasste sie an der Schulter. »Es ist nicht so hoffnungslos, wie du denkst. Wir waren wenige auf engem Raum zusammengepfercht und wir haben uns nur auf unseren magischen Schild verlassen. Die Soldaten der Armee haben Schilde aus Holz oder Metall und tragen Rüstungen, es wird nicht so leicht sein, sie mit den Pfeilen zu treffen wie uns mit unseren nackten Armen.«
Jessica atmete auf. »Ja, du hast Recht.« Sie stand auf und plötzlich
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