Verschollen am Mount McKinley - Alaska Wilderness ; 1
ist, lässt er uns sicher nicht am Leben. Zeugen kann er auf keinen Fall gebrauchen.«
Josh hielt den Revolver hoch. »Zur Not habe ich den hier.«
Der Anblick der gefährlichen Waffe in Joshs Hand beruhigte sie nicht, im Gegenteil, sie wurde noch nervöser und betete im Stillen, der Mann auf dem Snowmobil möge so schnell wie möglich weiterfahren. Ihr Gebet wurde erhört. Nach weiteren quälenden Sekunden, die ewig zu dauern schienen, heulte der Motor endlich auf, und der Schatten entfernte sich langsam nach Süden.
Julie wartete, bis sich der Druck von ihrer Brust löste, und sie wieder einigermaßen atmen konnte. »Wir müssen hier weg«, sagte sie, »so schnell wie möglich! So lange, bis der Hubschrauber kommt, können wir nicht mehr warten. Wenn Harmon noch mal umkehrt, klettert er bestimmt zur Höhle rauf.«
»Und wie soll ich das anstellen?« Josh hatte den Revolver wieder in seine Tasche gesteckt. »Ich komm doch keinen Schritt weit mit meiner Verstauchung!« Er blickte wütend auf seinen Fuß. »Du musst allein gehen und dich in Sicherheit bringen! Ich komm schon klar.«
»Und was ist, wenn Harmon dich findet? Nein, du kommst mit!«
»Ich hab den Revolver.«
»Willst du ihn erschießen?«
Er schien selbst unschlüssig zu sein. »Ich brauche doch einen halben Tag, um den Hang hinunterzukommen. Wenn überhaupt. Bis zu der Blockhütte schaffe ich es niemals. Nein, lass mich hier. Ich verstecke mich im Gang.«
»Da findet er dich auf jeden Fall! Oder meinst du, er sieht nicht nach, was von Bill Jacobsen übrig geblieben ist? Komm endlich! Wenn wir noch länger quatschen, erwischt Harmon uns beide.« Sie ging zu ihm und streckte die Arme nach ihm aus. »Mach schon! Beiß die Zähne zusammen, dann geht’s!«
Sie zog ihn vom Boden hoch und hielt ihn so lange fest, bis er das Gleichgewicht halten konnte. Es tat gut, seinen Atem in ihrem Nacken zu spüren, auch wenn der Anlass nicht der beste war. Während er seine Mütze und die Handschuhe aus den Anoraktaschen zog, band sie seinen linken Stiefel zu und half ihm, die Schneeschuhe anzulegen. Es gelang ihm nur unter größten Mühen und mit schmerzverzerrtem Gesicht, seinen verletzten Fuß zu belasten, als er seinen rechten Stiefel in den Schneeschuh schob. Julie hielt ihn fest, bis der Schmerz nachließ und er einigermaßen stehen konnte. »Okay?«
»Alles bestens«, antwortete er. Seine Miene verhieß etwas anderes.
»Auf dem Hang wird es etwas wehtun, Josh. Scheißweh wahrscheinlich. Aber am Flussufer gibt’s ein paar Bäume, da finden wir bestimmt zwei Äste, die du als Krücken benutzen kannst. Du weißt doch … ein Indianer kennt keinen Schmerz. Und alles ist besser, als Nick Harmon in die Hände zu fallen.«
»Wenn er es ist.«
»Darauf kannst du wetten.«
Sie ließ ihn an die Höhlenwand gelehnt stehen, zog ihre Mütze und die Handschuhe an und stieg in ihre Schneeschuhe. Die Stirnlampe verstaute sie in ihrer Anoraktasche. »Die würde er nur als Zielscheibe benutzen«, erklärte sie. »Bis zum Fluss kommen wir auch ohne Lampe. Bereit für den Abstieg?«
»Nicht wirklich, aber was bleibt mir anderes übrig?«
Sie legte ihren rechten Arm um seine Hüften und blickte ihn prüfend an. Er wirkte noch blasser als vor ein paar Minuten und litt wohl jetzt schon unter großen Schmerzen, obwohl er zwei Aspirin genommen hatte. »Leg deinen linken Arm um meine Schultern und hüpf auf einem Bein, wenn’s gar nicht anders geht. Keine Angst, hier sieht dich niemand und ich sag’s nicht weiter.«
Sie kämpften sich bis zum Ausgang vor und traten in das Schneetreiben hinaus. Der Sturm, der gegen Mittag hätte nachlassen sollen, war stärker geworden, und die Flocken schlugen ihnen mit voller Wucht entgegen. Der eisige Wind raubte ihnen fast den Atem. Nur das trübe Zwielicht, das am Horizont durch das Schneegestöber drang, erinnerte sie daran, dass es Mittag war.
Sie blieben stehen und zogen sich die Schutzbrillen vor die Augen, zögerten ein wenig, bis sie den Mut fanden, den Hang zu betreten, und liefen in das Schneetreiben hinein. Schon beim ersten Schritt schrie Josh vor Schmerzen auf, auch beim zweiten und dritten, dann hatte er sich einigermaßen an die Anstrengung gewöhnt und verzog nur noch das Gesicht. Jeder Schritt bedeutete eine unsägliche Qual für ihn, das spürte auch Julie, die sein ganzes Gewicht auf ihren Schultern spürte und bei jedem Schritt in die Knie zu gehen drohte. Nur ihrem eisernen Willen hatte sie es zu verdanken, dass
Weitere Kostenlose Bücher