Verschollen am Mount McKinley - Alaska Wilderness ; 1
stützte. »Wenn es tatsächlich Harmon ist, sind wir geliefert!«
Julie blieb optimistisch. »Auf dem Fluss hinterlassen wir keine Spuren, und an den Ufern gibt es genug Felsen und Eisbrocken, hinter denen wir uns verstecken können. Nicht aufgeben! Das Schlimmste haben wir hinter uns.«
»Was ist mit dem Funkgerät?«
Sie zog es unter ihrem Anorak hervor und rief alle, die sie hören konnten. »Hört mich denn niemand?«, rief sie mit gedämpfter Stimme. »Hier Julie Wilson.« Sie gab ihre genaue Position durch. »Sind in Gefahr. Bewaffneter Verdächtiger. Erbitten dringend Unterstützung! Bitte bestätigen … over.«
Wieder antwortete ihr nur das vertraute Rauschen und Knacken, das sich wiederholte, als Julie noch einmal um Hilfe rief. »Hier gibt es zu viele Funklöcher«, sagte sie, »das hat mir Carol schon gesagt. Du brauchst eine Menge Glück, um jemanden zu erreichen. Und vermutlich verschlechtert der Sturm den Empfang noch zusätzlich.«
Josh kam nicht dazu, ihr zu antworten. Vom Hang vor der Felswand drang das Wimmern eines aufheulenden Motors herüber, und sie beobachteten mit großer Genugtuung, wie das Snowmobil, das für einen Augenblick deutlich zu sehen war, zur Seite kippte und sich im Tiefschnee überschlug. Der Motor heulte noch einmal auf und erstarb. Der Fahrer stürzte und überschlug sich ebenfalls, blieb einige Schritte neben seiner Maschine benommen im Schnee liegen. Er machte nicht den Eindruck, als würde er gleich wieder aufstehen.
»Genau die Zeit, die wir brauchen«, freute sich Julie. »Bis der wieder bei Sinnen ist, sind wir längst über alle Berge!« Sie legte ihren Arm um Joshs Hüfte. »Dein Arm, Josh! Worauf wartest du? Oder willst du ihm helfen?«
»Harmon? Ich bin doch nicht lebensmüde.«
Auf dem Fluss kamen sie besser voran. Der Schnee, der sich auf dem Eis gesammelt hatte, lag lange nicht so hoch wie auf dem verschneiten Hang, und solange sie im Schutz des Ufers bleiben konnten, war auch der Wind nicht so schlimm. Dennoch kamen sie nur langsam vorwärts. Die Krücken halfen nicht besonders und waren so hinderlich, dass Josh sie schon nach wenigen Schritten in den Schnee warf. Es war einfacher für ihn, sich auf Julie zu stützen, die allerdings immer mehr Kraft verlor und nicht mehr lange durchhalten würde. Immer öfter blieb sie stehen und löste sich von ihm, nutzte die kurze Pause, um ihre Schultern zu strecken und den Schmerz aus ihren Muskeln zu vertreiben. Sie war keines dieser Modepüppchen, das schon zu ächzen begann, wenn es eine Einkaufstüte tragen musste, aber auch keine durchtrainierte Kraftsportlerin, der es leichtfiel, das Gewicht eines Mannes zu schultern.
»Tut mir leid«, sagte er, »aber ich kann nicht anders.«
»Du brauchst dich nicht zu entschuldigen, Josh.«
»Wie zwei Krieger, die aus der Schlacht zurückkehren.« Josh lächelte zum ersten Mal, seitdem sie ihr Versteck verlassen hatten. »Vielleicht geben sie uns einen Orden, falls es der Polizei gelingt, Nick Harmon festzunehmen.«
»Mir wäre lieber, wir hätten Scott gefunden«, erwiderte Julie. »Der braucht unsere Hilfe dringender als sein toter Vater. Ich möchte nur wissen, wo er sich verkrochen hat und warum er nicht zu den Höhlen hochgestiegen ist. Glaubt er wirklich, die Leiche seines Vaters auf dem Gletscher zu finden?«
»Er ahnt wahrscheinlich nicht, dass ihn Harmon erst hier unten umgebracht hat. Und von den Gefahren, die auf dem Gletscher warten, hat er auch keine Ahnung. Ich hoffe nur, er hat einen Unterschlupf gefunden, sonst …«
Julie ahnte, auch ohne dass Josh den Satz weiterführte, was dann passiert wäre. Scott Jacobsen wäre vor Erschöpfung zusammengebrochen und erfroren! Nichts war anstrengender und gefährlicher, als sich ohne die nötige Ausrüstung in die Ausläufer des Mount McKinley zu wagen. Nirgendwo war der Wind heftiger und kälter, lauerten mehr Gefahren als auf der Nordseite des Berges. Ein unerfahrener Städter wie Scott konnte dort nicht überlebt haben.
Der Gedanke beschäftigte sie zum wiederholten Male, und auch jetzt kroch ihr wieder ein eisiger Schauer über den Rücken. »Scott Jacobsen ist kein Dummkopf«, hoffte sie. »Er hat bestimmt irgendwo ein Versteck gefunden. Hauptsache, er hält so lange durch, bis ihn der Hubschrauber aufspürt.«
»Oder Nick Harmon«, gab Josh zu bedenken.
Weit vor ihnen hoben sich zwei dunkle Schatten gegen das Schneetreiben ab. Kein Motorengeräusch, zwei lautlose Schatten, die schnell näher
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