Verschollen am Mount McKinley - Alaska Wilderness ; 1
kamen.
»Wer kann das sein?«, fragte Josh nervös.
Julie war stehen geblieben und spähte angestrengt in den Flockenwirbel. Ihre Stirnlampe war noch immer ausgeschaltet, und sie war zu misstrauisch, um sich jetzt schon zu erkennen zu geben. Aus den Augenwinkeln beobachtete sie, wie Josh eine Hand in die Tasche mit dem Revolver steckte. Auch die Schatten, die sich ihnen näherten, blieben vage und dunkel. Keine Lampen.
Um sich eine Deckung zu suchen, war es zu spät. Man hatte sie längst gesehen, und wenn man ihnen Böses wollte, würde ihnen auch ein Versteck nichts nützen. Ihnen blieb nichts anderes übrig, als zu warten und zu hoffen.
»Julie! Josh! Seid ihr das?«, tönte es aus der Dunkelheit.
»Mike! Das ist Mike!«, rief Julie erleichtert und schaltete ihre Stirnlampe ein. »Mike und Ruth!« Sie ließ Josh stehen und ging auf die beiden zu, schloss sie in die Arme. »Dann haben Sie meinen Funkspruch gehört!«
Mike schob seine Skibrille auf die Stirn. »Nur ein paar Wortfetzen … dass sich Josh den Fuß verstaucht hat und Hilfe braucht.« Er blickte Josh an. »Sie sehen ziemlich fertig aus. Ich hab mir auch mal den Fuß beim Training verstaucht … das tut höllisch weh … manchmal mehr als ein Bruch.« Er grinste, obwohl es nichts zu grinsen gab. »Haben Sie ihn huckepack getragen, Julie?«
»So ähnlich«, erwiderte Julie. »Ich bin jedenfalls heilfroh, dass Sie gekommen sind. Nick Harmon ist in der Nähe, Mike!« Sie berichtete in wenigen Worten, was sie herausgefunden hatten, und dass der mutmaßliche Mörder von Bill Jacobsen nicht weit sein konnte. »Wenn er nicht gestürzt wäre, hätte er uns wahrscheinlich schon entdeckt. Scott ist spurlos verschwunden. Keine Ahnung, wo er sich rumtreibt.«
»Dann lasst uns keine Zeit verlieren.« Mike und Ruth nahmen Josh in die Mitte, ließen ihn sich mit beiden Armen aufstützen und führten ihn übers Eis, kamen wesentlich schneller mit ihm voran als Julie. »In der Blockhütte können Sie ausruhen«, sagte Ruth zu ihm. »Wir haben heißen Tee und was Warmes zu essen, und irgendwann wird sich wohl auch das Wetter bessern. Laut dem Wetterbericht hätte das Schneetreiben schon heute Mittag aufhören sollen, aber hier am Denali läuft nichts nach Plan, sagt Carol. Geht’s noch, Josh?«
»Danke … vielen Dank«, erwiderte er. »Ich bin ausgerutscht …«
»Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen, Josh.« Sie lächelte ihm aufmunternd zu. »Und solange Sie so eine starke und mutige Freundin haben, kann sowieso nicht viel passieren. Auf so eine Rangerin kann sich Denali freuen.«
Julie errötete, wegen des unerwarteten Lobes, aber auch, weil Ruth sie seine »starke Freundin« genannt hatte. Dabei kannten sie sich erst seit ein paar Tagen. Sie rettete sich in einen Allgemeinplatz. »Wir müssen uns beeilen!«
Josh vermied es, sie anzusehen, und als sich ihre Blicke nach einiger Zeit zufällig kreuzten, lächelte er verlegen. Hinter der Schutzbrille, die er wieder über die Augen gezogen hatte, war das nicht deutlich zu erkennen. Sie selbst war ebenfalls froh, wieder ihre Schutzbrille übergezogen zu haben, und schob ihren Schal bis über die Nase, bis kaum noch Haut zu sehen war. Verflucht, beschimpfte sie sich in Gedanken, ich sollte nicht an ihn, sondern an Nick Harmon und Scott Jacobsen denken. Da draußen braut sich was zusammen, und wenn sich das Wetter nicht bald bessert und die Hubschrauber aufsteigen konnten, würde es vielleicht zur Katastrophe kommen. Nick Harmon hatte schon einmal gemordet und würde sicherlich nicht zögern, auch Scott umzubringen.
Und das alles auf meinem ersten Ausflug, dachte sie niedergeschlagen.
13
Der Wind blies noch stärker über die verschneiten Hügel, als sie die Blockhütte erreichten und nach dem Abschnallen der Schneeschuhe den warmen Raum betraten. Vor allem Josh war die Erleichterung, sich endlich ausruhen zu können, deutlich anzusehen. Von Mike und Ruth gestützt, zog er Anorak, Mütze und Handschuhe aus und sank auf eine Matratze. Mike zog ihm die Hose aus und deckte ihn zu. »Sie sind ein schwerer Brocken«, scherzte Mike.
Julie kniete noch im Anorak neben dem Krankenlager der Rangerin nieder und brauchte sie gar nicht zu fragen, um zu erkennen, dass ihre Magenschmerzen noch schlimmer geworden waren. Ihre Augen waren gerötet, wahrscheinlich vom heimlichen Weinen, ihre Haut blass und eingefallen. Sie musste große Schmerzen haben. »Ich glaube, ich habe ein Magengeschwür«, gestand sie. »Die
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