Verschollen im Taunus
Mittag Sergej und Wladimir mit dem Flieger eintreffen. Beiden sagte man nach, statt Blut flösse Glyzerin durch ihre Adern. Sie waren die Crème de la crème der neuen Killergeneration. In Bälde würden die Köpfe seiner Widersacher rollen. So wie es die Tradition verlangte. Michailovitsch konnte ja nicht wissen, daß einer von ihnen durch ungeschicktes Handhaben eines defekten Gaskochers bereits enthauptet im Hochtaunus vor sich hin moderte. Wohlig grunzend und mit sich und der Welt im reinen schlief er ein.
Heute schlief Mami aber lange. Schon vor zwei Stunden hatte die Sonne die Nacht vertrieben. So langsam wurde Pepsi ungeduldig. Sie hatte Durst und brackiges Wasser aus dreckigen Pfützen stand seit gestern nicht mehr auf ihrer Getränkekarte. Eingekauft hatte sie ja bereits. Nun war’s an der Zeit, das Frühstück zu servieren. Ihre Zähne bissen in das dahingeschiedene Mäuslein. Sie legte es Herrn Schweitzer direkt aufs linke Auge, wovon dieser natürlich erwachte.
Sein linkes Auge klemmte, also öffnete er das rechte zuerst. Er erblickte das schwarze Kätzchen, das schnurrend auf seinem Brustkorb im Kreis tänzelte. In der Annahme, sein anderes Auge sei durch Schlaf verunreinigt, führte Herr Schweitzer eine Hand nach oben und stieß auf Fell. Wie von der Tarantel gestochen schreckte er hoch. Katze und Maus flogen in seinen Schoß. „Iiih“, gurgelte es aus ihm heraus. „Was ist denn das?“
„Miau.“
Dann begriff er. „Oh, eine Maus. Das ist aber lieb von dir.“ Er streichelt ihren Kopf, der sich gegen seine Handfläche drückte. „So hab ich’s gerne, das Frühstück direkt ans Bett. Aber sei mir nicht böse, ich bin morgens selten hungrig. Ich schlage vor, wir heben den Braten fürs Mittagessen auf, vielleicht finden sich ja auch noch Preiselbeeren und Kartoffeln. Weißt du, ich kann ziemlich gut kochen. Du wirst sehen, was ich uns alles zaubern kann.“ Dann fragte sich Herr Schweitzer, was er hier eigentlich tat.
Diese Frage war schnell beantwortet, denn kaum hatte er sie ausgesprochen, vernahm er ein Motorengeräusch. Das Gute war, es kam aus der Richtung, die einzuschlagen er sich vorgenommen hatte. Das Schlechte war, es war genauso laut oder leise wie gestern. Herr Schweitzer hatte das dumpfe Gefühl, keinen Schritt vorangekommen zu sein. Außerdem pochte sein rechter Fuß wie wild. Er fühlte sich leer und ausgebrannt. Daran konnte auch das dargereichte Frühstück nichts ändern. „Es hilft alles nichts, Pepsi. Ich muß los.“
Nachdem er sich mit der Katze das restliche Wasser geteilt hatte, begab er sich wieder mal auf Achse. Sein Körper schmerzte höllisch und Herr Schweitzer fragte sich erstmals, warum er sich nicht einfach zum Sterben hinlegte.
„Oberreifenberg. Guten Morgen.“
Der Belle Rose hatte Maria von der Heide letzte Nacht niedergestreckt. Nun fehlte es noch an der geistigen Feinjustierung. „Wer redet da von Oberreifenberg?“ Sie schaute den Telefonhörer an, als zweifle sie an dessen Funktionalität.
„Der Mischa redet da von Oberreifenberg. Mischa Schmidt-Schmitt, du erinnerst dich? Ich sagte gestern, ich lasse Simons Handy orten. Und was hat der gute alte Mischa gemacht? Hat Simons Handy orten lassen. Und der Anruf gestern ging vom Sendemast in Oberreifenberg aus. Um zwanzig Uhr elf. Seitdem gab’s keinen Funkkontakt mehr. Jetzt wissen wir, wo wir zu suchen haben.“
Hmm, überlegte Herrn Schweitzers Freundin, ja, das klang vielversprechend.
„Außerdem bekam ich noch einen Anruf aus dem Präsidium. Dort geht man inzwischen davon aus, daß dieser Michailovitsch nichts mit der Sache zu tun hat. Gegner von ihm hätten Simon auf dem Gewissen …“ Der Oberkommissar merkte, daß seine Formulierung zum jetzigen Zeitpunkt etwas voreilig, ja sogar gar arg unglücklich gewählt war. So besserte er nach: „Nein, nein, ich meine, nicht auf dem Gewissen, das hieße ja, Simon sei schon …“ – ‚hinüber‘ wollte er vollenden, aber das wäre auch nicht besser gewesen, als jemanden auf dem Gewissen zu haben. Schmidt-Schmitt hatte sich betreffs der Rhetorik heillos verheddert, was blieb, war der geordnete Rückzug: „Du weißt schon, was ich meine …“
„Jajaja, schon gut. Was passiert jetzt?“
„Die Polizeidienststellen in Oberreifenberg und den Nachbargemeinden haben das Foto von Simon. Noch im Laufe des Vormittags werden sie Klinken putzen, das bedeutet, jeden, aber auch jeden befragen, ob ihn jemand die letzten Tage dort gesehen hat.“
„Das
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