Verschollen im Taunus
Unfähigkeit dem Phantombild Leben einzuhauchen. Nach gut zwei Stunden nervenaufreibendem Getue blickte ihnen das Originalgesicht des zweiten, noch lebenden Entführers vom Bildschirm entgegen. Dem Detektiv zitterten sogar ein bißchen die Knie, so plastisch war das Ebenbild seines Peinigers.
„Können wir das jetzt nehmen?“ wollte der Zeichner wissen.
„Natürlich“, bestätigte Herr Schweitzer, „das ist er, aber hallo.“
„Gut, dann wird er jetzt zur Fahndung ausgeschrieben.“
Gerade, als der Detektiv seine Kaffeetasse austrank, erschien sein Kumpel Schmidt-Schmitt. „Was machst du denn hier? Ich denke, du hast Urlaub.“
„Hab ich auch. Ich hörte nur von Maria, du wolltest gleich noch zu diesem Michailovitsch, die fünftausend Riesen abholen. Da dachte sich der gute Mischa, er kommt da besser mal mit. Wer weiß, in was für einen Schlamassel du dich sonst wieder stürzt.“
Ups, dachte Herr Schweitzer, wenn das so ist, bleibt mir wohl keine andere Wahl. Aber mit Schmidt-Schmitt an seiner Seite fühlte er sich gleich viel wohler. Aus freien Stücken hätte er sich nie in die Höhle des Löwen getraut. Aus unerklärlichen Gründen war er Russen gegenüber neuerdings sehr oppositionell eingestellt. Was aber nicht fair war, man sollte nicht alle über einen Kamm scheren. „Quatsch. Da brauchst du doch nicht mitkommen. Das ist doch ein Klacks.“
„Mittlerweile schon.“
„Bitte?“
„Mittlerweile schon. Hast du denn das Interview im Fernsehen nicht gesehen?“
„Welches Interview?“
„Kam gestern. Und heute morgen war Wiederholung. Michailovitsch will tatsächlich bei der Eintracht einsteigen. Das bedeutet, er muß sich hier benehmen, so schwer es so einem Arschloch wie ihm auch fällt. Da kann er es sich gar nicht erlauben, für negative Schlagzeilen zu sorgen, indem er dir dein Geld vorenthält.“ Zu seinem Kollegen gewandt: „Können wir eine Kopie von dem Phantombild mitnehmen?“
„Klar.“
Als sie wenig später vor Herrn Schweitzers weißem Twingo in der Eschersheimer Landstraße standen, fragte er: „Wozu soll das Phantombild gut sein? Glaubst du ernsthaft, der läuft mir noch einmal über den Weg?“
„Man weiß nie. Übrigens, ich fahre.“
„Das ist aber mein Twingo.“
„Na und. Wenn der Twingo reden könnte, würde er winseln, sobald du dich ihm auch nur näherst.“
„Soll das heißen, ich kann nicht fahren?“
„Och … Ich bin schon mal bei dir ins Auto gestiegen. Erinnerst du dich?“
„Nein“, erwiderte Herr Schweitzer, obwohl er sich ganz genau erinnerte. Das Stopschild, das er übersehen … Der Radfahrer, den er fast … „Hier, fang.“ Ausnahmsweise, aber auch wirklich nur ausnahmsweise legte er auf Schmidt-Schmitts Begleitung wert. Alexander Michailovitsch war schließlich ein harter Brocken.
Unterwegs: „Hättest du zum Frankfurter Hof hier nicht rechts abbiegen müssen?“
„Frankfurter Hof?“ fragte der Oberkommissar, aber da fiel es ihm auch schon ein: „Ach so. Stimmt ja, kannste gar nicht wissen. Michailovitsch ist ins Hotel King gezogen.“
„Das ist aber ein ziemlicher Absturz. Wenn der mal mein Geld noch hat …“
„Das werden wir gleich wissen.“
Auf der Bleichstraße wurden sie dann auch geblitzt. Herr Schweitzer lachte sich ins Fäustchen. „Du wolltest ja unbedingt …“
Kein Wölkchen trübte den Himmel, als Schmidt-Schmitt den Twingo in der Brückenstraße parkte. Sogleich kam ein Schäferhund angedackelt, um sein Bein am Hinterreifen zu heben.
„Wag’ dich, du Mistvieh“, drohte Herr Schweitzer und tat einen Tritt in des Mistviehs Richtung. Knurrend entfernte es sich.
Während der Portier oben anrief, kamen ihm doch wieder Bedenken. Selten zuvor hatte sich der Detektiv in seinem Stadtteil so unbehaglich gefühlt wie in diesem Augenblick. Am liebsten wäre ihm gewesen, dieser obskure Milliardär würde bereits die Heimreise angetreten haben und in irgendeinem Flieger Tausende von Metern über dem Erdboden schweben. Geld ist nicht alles. Ich bin glücklich. Ich habe die beste Freundin der Welt. Zu Hause liegt ein Joint, der sich danach sehnt, geraucht zu werden. Und wenn die Keltereien nicht streikten – Ebbelwei, so lange die Leber schuftete. Was also zum Teufel tue ich hier?
„Mister Michailovitsch erwartet Sie. Zimmer 304. Der Aufzug ist hier gleich links.“
„Klappt doch prima“, vernahm Herr Schweitzer eine weit entfernte Stimme. Ergeben trottete er hinterher.
Dafür, daß ihm einfach alles nur
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