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Verschollen

Titel: Verschollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åke Smedberg
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fuhr nach einer kurzen Pause mit leiserer Stimme fort. »Ich habe in der Tat danach gesucht. Aus lauter Neugierde. Um zu sehen, ob es jemand war, den ich kannte. Aber dieser Geselle hat keinen Führerschein. Und auch noch nie einen Pass beantragt. Also, wenn du unbedingt ein Foto von ihm haben willst, wirst du ihn wohl besuchen und ihn artig darum bitten müssen. Das ist mein Vorschlag.«
    Er schwieg erneut für einen Moment.
    »Das scheint dir nicht zu genügen! Ist das eine Sache, an der du dranbleiben willst?«
    »Ich weiß es nicht«, antwortete Nielsen langsam. »Ich weiß genau genommen überhaupt nicht, was...«
    Er hielt inne, dachte nach. »Triffst du Harri noch?«, fragte er.
    Lasse Henning pfiff durch die Zähne. »Harri Rajamäki? Ach so, du willst also diesen Weg einschlagen: Harri fragen? Das ist natürlich eine Möglichkeit. Ja doch, der müsste eigentlich noch unter derselben Adresse wie letztes Mal anzutreffen sein. Wenn er nicht das Glück hatte, wieder rausgeschmissen worden zu sein.«
    Die Haut am Hals war so schlaff und faltig wie bei einem alten Mann, das Gesicht war eingefallen. Er hatte im ersten Augenblick Schwierigkeiten, ihn wiederzuerkennen. Harri Rajamäki wirkte etliche Jahre älter als seine vierundvierzig.
    Seine Bewegungen waren ruckartig und verrieten jahrelangen übermäßigen Konsum von allem, was man überhaupt zu sich nehmen konnte, dachte Nielsen, während er ihn ansah. Aber sein Blick war klar, wachsam und konzentriert. Ein Schimmer von berechnender Intelligenz glitzerte in seinen braunen Augen.
    »Donnerwetter, Johnny, ist schon 'ne Weile her, dass ich dich zum letzten Mal gesehen hab! Dachte, du würdest dich hier in der Gegend überhaupt nicht mehr blicken lassen. Dass du zu fein geworden bist, um nach Hause zurückzukommen.«
    Harri Rajamäki hatte den Kopf schief gelegt, fröhlich gegrinst und dabei ein fast zahnloses Gebiss entblößt. Als er Nielsens Blick bemerkte, zwinkerte er und hob die Oberlippe mit den Fingern.
    »Meine Milchzähne sind rausgefallen, endlich. Aber neue sind unterwegs. Die Behörde wird mich mit einer Garnitur neuer Stacheln versorgen. Und das bin ich doch auch wert, findest du nicht? So lange, wie ich dafür Sorge getragen habe, dass sie genug Arbeit haben.«
    Nielsen nickte. »Ich weiß. Du warst ihr Felsen in der Brandung.«
    Harri Rajamäki lachte. »Na klar. Einer der Säulen der Gesellschaft. Ist das der Grund deines Kommens, um zu sehen, wie es dem Bodensatz geht? Denn selbst wirst du dich wohl nicht mehr daran erinnern können.«
    Nielsen folgte ihm in die Zweizimmerwohnung.
    Aus der Küche schlug ihm der Gestank nach Müll und Essensresten entgegen. Und ein Blick in das Wohnzimmer ließ ihn einsehen, dass Lasse Hennings Befürchtungen einer bevorstehenden Kündigung nicht ganz unbegründet waren. An der einen Wand befand sich ein Stapel mit Dingen, die ganz offensichtlich Diebesgut waren: Stereoboxen, Handys und tragbare CD-Player. Der Rest des Raumes beherbergte eine unbeschreibliche Mischung aus dreckiger Wäsche, Verpackungsmüll, Zeitungen und kaputten Möbeln. In der einen Ecke war der Boden bedeckt mit eingetrocknetem Erbrochenem.
    Er räumte einen Stapel Gerümpel beiseite und ließ sich am äußersten Rand des Sofas nieder.
    »Ich benötige jemanden, der etwas über einen Typ herausbekommt, der Anfang der Siebziger im Knast war. Etwas vor meiner Zeit, aber du warst zu dem Zeitpunkt sicher schon da und bist dort herumgelaufen, wenn ich mich nicht irre?«
    Harri nickte. »Ich war schon früh entwickelt«, sagte er mit einem Lächeln. »Hat er einen Namen?«
    »Bengt Andersson.«
    Harri Rajamäki lachte laut auf. »Ja, mein Lieber, da kann ich dir aber eine ganze Reihe von besorgen...«
    »Er wurde Pippi genannt«, unterbrach ihn Nielsen. »Was er wohl nicht so richtig gemocht haben soll. Einige haben von ihm eins aufs Maul gekriegt, wenn er es mitbekommen hatte. Offenbar war er sehr kräftig. Nicht groß, aber vierschrötig. Stark. Darum wurde er wohl auch so genannt. Außerdem hatte er eine piepsige Stimme. Das hat bestimmt auch eine Rolle gespielt.«
    »Was hat er denn so getrieben?«
    »Nichts Besonderes. Diebstahl, Körperverletzung, ein paar Verurteilungen wegen Drogen. Hauptsächlich Kleinkram. Er hat ein paar Runden gedreht, aber in einer offenen Anstalt. Obwohl das, was man über ihn herausbekommt, bestimmt nur ein Bruchteil von dem ist, was er wirklich auf dem Kerbholz hatte. Er ist bei Pflegeeltern aufgewachsen, bei

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