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Verschollen

Titel: Verschollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åke Smedberg
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die Gestalt im Schein des blau flimmernden Fernsehbildschirmes ausmachen. Geduckt ging er zurück zum Weg und ums Haus herum zur Eingangstür. Dort blieb er einen Moment lang stehen, ehe er die Treppe mit einem Schritt nahm, vor der Tür stehen blieb und die Türklinke betätigte.
    Wie erhofft war die Tür nicht verschlossen. Er wartete noch einige Sekunden, öffnete sie dann, glitt hinein in den Flur und schloss sie wieder hinter sich, alles in einer einzigen, geschmeidigen Bewegung.
    Regungslos blieb er stehen, zwei Schritte außerhalb des Lichtkegels der matten Flurlampe, und wartete mit angehaltenem Atem. Er konnte hören, wie sich Ivarsson plötzlich im Sofa bewegte. Er verharrte still. Man konnte immer eine Veränderung wahrnehmen, wenn jemand einen Raum betrat. Ein Luftzug, Gerüche, kaum hörbare Geräusche. Es gab immer etwas, das man unterbewusst registrierte. Er sollte ihn dort sitzen lassen, horchend, unsicher, ob er richtig gehört hatte, hin und her überlegend, ob er aufstehen und nachsehen sollte.
    Er spürte, wie sein Atem ruhiger wurde, der Puls sich verlangsamte, das Herz fast aufhörte zu schlagen, als würde sich sein ganzer Körper nur noch auf das Kommende konzentrieren. Er war bereit.
    Dann hörte er, wie Ivarsson zurück ins Sofa sank und etwas Unverständliches murmelte. Noch einen Augenblick hielt er inne, dann ging er mit wenigen Schritten durch den Flur zur Wohnzimmertür.
    Ivarsson saß halb abgewandt von ihm, sein Blick fest auf den Bildschirm geheftet. Er berechnete den Abstand zu ihm ohne anzuhalten und näherte sich beinahe lautlos über den Teppichboden. Breitbeinige, gleitende Schritte, um schnell die Richtung ändern oder sich zurückziehen zu können. Er hatte Ivarsson fast erreicht, als dieser jählings seinen Kopf drehte. Etwas Erwartungsvolles war in seinem mageren Gesicht. Dann entglitten ihm plötzlich die Gesichtszüge.
    »Sie!...«, stieß er hervor und versuchte aufzuspringen.

5
    Harri Rajamäki hatte nichts von sich hören lassen. Was für Nielsen nicht weiter verwunderlich war. Offenbar war ihm ein anderes Geschäft dazwischengekommen. Oder er hatte einfach das Interesse verloren oder die Sache vergessen. Wenn nicht gar Ivarsson Recht gehabt und Harri sich alles nur ausgedacht hatte und nun keine weitere Energie mehr darauf verschwenden wollte, nachdem er gemerkt hatte, dass für ihn nicht mehr viel herauszuholen war.
    Auch Ivarsson hatte nichts von sich hören lassen. Nielsen überlegte, was er tun sollte, entschied dann aber, noch einen Tag abzuwarten, ehe er ihn anrufen würde.
    Das Gefühl bedroht zu sein, das ihn direkt nach dem Besuch der Wohnung beschlichen hatte, verflog zunehmend. Ersetzt wurde es durch den Eindruck, dass dies alles unwirklich und tatsächlich nie passiert sei. Er konnte es kaum glauben, dass da jemand die Artikel über die Geschichte in Bräcke über Jahrzehnte hinweg ausgeschnitten und gesammelt, sie in der Wohnung zurückgelassen, seinen Namen unterstrichen und die Tür unverschlossen gelassen hatte, in der Hoffnung, dass ausgerechnet er sie dort finden würde.
    Bei Tageslicht fiel es ihm schwer, das alles für bare Münze zu nehmen. Es kam ihm kindisch und naiv vor. Ein wenig so wie seine eigene Reaktion darauf.
    Er machte seine übliche Tour hinunter zum Fluss und lief ein Stück talabwärts. Die Temperaturen waren mittlerweile deutlich über null. Diesiges Wetter. Die Spuren des letzten Schneefalles waren fast alle verschwunden. Er beobachtete, wie sich Tjarrko voller Hingabe immer wieder in einem der schmutzigen Schneehaufen nahe am Flussufer wälzte, darin herumscharrte und sich schüttelte. Seine Oberlippe war schon ergraut, und das buschige Fell begann an den Flanken bereits auszudünnen. Er war bald elf Jahre alt. Nielsen hatte den Hund, seit er ein Welpe war. Noch zeigte er keine weiteren konkreten Alterserscheinungen, aber Nielsen wusste, dass sein Countdown begonnen hatte.
    Er versuchte, sich das Leben eines Tieres vorzustellen. Diese Einfachheit und Selbstverständlichkeit, wo alles einen klaren Sinn und Zweck besaß. Alles war das, was es war. Und nichts anderes.
    Der Hund hob den Kopf und fixierte ihn. Er sah beschämt weg, fühlte sich ertappt. Als hätte das Tier seine Gedanken erraten.
    Gegen Ende der Woche begann er nach Ivarsson zu suchen. Zuerst rief er ein paar Mal bei ihm zu Hause an, aber ohne Erfolg. Unter der Nummer der Polizeistation gab ihm ein Anrufbeantworter die Telefonzeiten durch sowie den Hinweis, dass er

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