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Verschollen

Titel: Verschollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åke Smedberg
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»Warum?«
    Es war wieder still auf der anderen Seite.
    »Dann habe ich mir das wohl eingebildet.«
    Plötzlich wirkte Bernt Larsson wie geistesabwesend und schien das Gespräch so schnell wie möglich beenden zu wollen. Nielsen hörte ihn mit den Fingern trommeln.
    »Ivarsson ist verschwunden, sagten Sie?«, sagte er dann. »Ich kann nicht direkt behaupten, dass ich deswegen bitterlich weinen muss. Wir dürfen nur hoffen, dass Sie Recht haben.«
    Dann legte er unvermittelt den Hörer auf.
    Es würde ein Fest nötig sein, dachte er, während er die Treppe hinauf ins Haus hinkte. Ein Fest, auf dem er die Sau rauslassen könnte. Das alle Gedanken, alle Spuren einer gedanklichen Aktivität fortfegte.
    Alles ging im Augenblick bergab. Er saß in etwas fest, und dieses Etwas ließ ihn nicht los, riss ihn immer tiefer. Es gab keine Erklärung, keine einzige Theorie, die auch nur im Geringsten glaubwürdig zu sein schien. Es kam ihm vor, als sei er in zähem Schlick stecken geblieben und jeder Versuch, sich daraus zu befreien, mache die Sache nur noch schlimmer.
    Er war mit dem schlecht gelaunten Tjarrko, der an der Leine zog und zerrte, nicht weiter gegangen als bis zum Parkplatz. Dort hatte er gestanden, ins Tal hinuntergeblickt, den Nieselregen im Gesicht, und war dann umgedreht und zurückgegangen.
    Im Wohnzimmer machte er zuerst das Licht an. Das Foto bemerkte er, als er bereits einige Schritte in den Raum getan hatte. Plötzlich fuhr er mit dem Kopf herum und begriff in diesem Moment, was er gesehen hatte. Er starrte wie gebannt auf den Abzug.
    Die Aufnahme war grobkörnig, sehr vergrößert und mit einem Objektiv aufgenommen. Darauf war er zu sehen, zusammen mit Olle Ivarsson direkt vor seinem Haus. Um beide Köpfe war mit einem Kugelschreiber ein Kreis gezogen worden. Er beugte sich näher heran, starrte wie gebannt auf das Foto, als könnte er nicht glauben, was er sah. Seit wann hing es hier an der Wand? Wie war es dorthin gekommen? War es tagsüber geschehen, während er weg war? Oder schon zu Beginn der Woche? Wie hatte jemand ins Haus eindringen können, ohne Spuren zu hinterlassen?
    Fassungslos betrachtete er das Bild. Es musste aufgenommen worden sein, als Ivarsson nach Hause aufgebrochen war, eine andere Möglichkeit gab es nicht.
    Er spürte, wie eine plötzliche Kälte sein Rückgrat hinaufkroch. Für einen Moment hatte er Mühe, Luft zu bekommen, es flimmerte vor seinen Augen. Er war gezwungen, sich an der Wand abzustützen. Dann richtete er sich wieder auf, ging mit schnellen Schritten in den Flur, verschloss mit zitternden Händen die Haustür und löschte das Licht. Er stolperte zurück ins Wohnzimmer, machte auch dort das Licht aus und blieb regungslos in der Dunkelheit stehen, versuchte nachzudenken.
    Er klebte häufig Fotos an die Wand als eine Art Arbeitsmaterial, sie gaben ihm Denkanstöße, um bestimmte Situationen oder Gefühlslagen beschreiben zu können. Ab und zu tauschte er sie aus, wahllos und eher zufällig, einige hingen dort jahrelang. Jemand war in seinem Haus gewesen und hatte das Foto zwischen die anderen gehängt. Das hätte zu jedem beliebigen Zeitpunkt in dieser Woche gewesen sein können. Er hatte es nur vorher nicht entdeckt.
    Plötzlich kam es ihm in den Sinn, dass sich dieselbe Person noch immer im Haus aufhalten konnte. Abrupt drehte er sich um und starrte hinüber zur kleinen Küche und zum Schlafzimmer. Dann warf er einen Blick auf Tjarrko. Aber der Hund, nur ein dunkler Schatten, schien nichts Ungewöhnliches gewittert zu haben. Er lag unbeirrt vor der Haustür und hatte sich kaum bewegt, als Nielsen an ihm vorbeigerannt war. Doch Nielsen spürte diese Kälte, die durch seinen Körper kroch. Dieser Jemand war in sein Haus eingedrungen, und er würde es wieder tun können.
    Er sah aus dem Fenster in die Lichtkegel der Straßenlaternen entlang der Durchfahrtsstraße. Auf den Verkehr, der vorbeiglitt. Auf der anderen Seite, auf der sich Küche und Schlafzimmer befanden, lag der kleine Wald mit den sich anschließenden Hochhäusern. Die Dunkelheit jenseits der Lichtkegel war pechschwarz und undurchdringlich. Obwohl es sinnlos war, starrte er unverwandt nach draußen, als würde er dort etwas entdecken können. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als abzuwarten.

6
    Er war in die Wohnung zurückgekehrt. Wie lange er sie noch benutzen würde, hatte er noch nicht entschieden. Jetzt aber musste er sich ausruhen. Er spürte, dass er sich einer Grenze näherte. Nach seiner letzten

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