Verschollen
an. »Laut Bernt Larsson gäbe es da durchaus das eine oder andere über ihn zu sagen, was nicht allzu schmeichelnd wäre...«
Er hielt die Luft an, aber der erwartete Ausbruch seines Gegenübers erfolgte nicht. Stattdessen schüttelte Ivarsson nur den Kopf.
»Ach so, Sie haben wieder mit ihm geredet? Ja, er ist gewiss die richtige Person, die sich dazu äußern sollte. Im Übrigen kann er, was die Härlins betrifft, wohl kaum mehr als Gerüchte kennen.«
Er schwieg eine ganze Weile, blinzelte mit den Augen.
»Sie glauben, dass ich schamlos übertreibe, wenn ich über Larsson rede, nicht? Dass ich ihn auf dem Kieker habe wegen einer alten Geschichte? Aber ich kann Ihnen wirklich versichern, dass er keine angenehme Gesellschaft ist. Ich würde ihm nicht über den Weg trauen, wenn ich Sie wäre.«
»Können Sie mir bitte nur ein einziges Beispiel geben?«
Ivarsson schnaubte gereizt. »Ich könnte Ihnen viele geben. Und sie ähneln sich alle. Er entkommt immer in letzter Sekunde. Er ist wie eine verdammte Ratte, die weiß, wo die Fallen stehen, bevor man sie aufgestellt hat!«
Er holte heftig Luft.
»Ein Beispiel: Wir hatten einen estländischen Lastwagen observiert, weil wir davon überzeugt waren, dass er voll mit Schmuggelware war, Zigaretten und Alkohol. Vielleicht auch noch andere Dinge. Wir wussten, dass er nach Norden fahren sollte, und wollten sehen, wer der Empfänger war. Natürlich verloren wir ihn auf irgendeinem Rastplatz südlich von Gävle aus den Augen. Später tauchte der Fahrer auf und behauptete, dass er überfallen, ausgeraubt und der Lkw gestohlen worden sei. Der Laster war also verschwunden, bis wir ihn hier oben bei uns wiederfanden, auf einem Waldweg. Fast komplett ausgeräumt. Wir ließen ihn einige Tage stehen und beobachteten die Stelle. Und wer, glauben Sie, tauchte dort auf, mitten im Nichts? Bernt Larsson! Aber er fuhr nicht bis zum Wagen vor, er ahnte wohl etwas. Er blieb eine Weile in seinem Auto sitzen, drehte dann um und verschwand. Als wir ihn endlich zu fassen bekamen, behauptete er, dass er nur zufällig dort vorbeigekommen sei und sich gewundert habe, diesen Wagen dort zu sehen. Und dass er schon bei der Polizei angerufen und es gemeldet habe. Dass er sich auf den Weg gemacht habe, um die Polizisten zum Fundort zu begleiten!«
»Und hatte er angerufen?«
»Natürlich hatte er das! Er hat von seinem Handy aus den Fund gemeldet. Ungefähr auf die Sekunde genau in dem Augenblick, als es uns gelungen war, ihn nach einer verfluchten Rallye durch den Wald anzuhalten! Ich wette, dass er sich hinterher ins Fäustchen gelacht hat.«
»Er kann doch genauso gut die Wahrheit gesagt haben.«
»Ja, und ich könnte seine Mutter sein!« Olle Ivarsson sah wütend aus. »Sie müssen wissen, dass er sich nicht mit Peanuts abgibt.«
Nielsen sah ihn lange schweigend an.
»Dass er nicht das brävste Kind auf Erden ist, kann ich mir schon denken«, sagte er dann. »Aber mir scheint fast, dass Sie - was Larsson anbetrifft - Ihre Objektivität verloren haben.«
»Sie kennen ihn nicht«, erwiderte Ivarsson resigniert. »Ich hingegen schon.«
»In welcher Hinsicht denn?«, fragte Nielsen.
Aber Olle Ivarsson verweigerte eine Antwort und wandte seinen Blick ab. »Ich begreife nicht recht, warum ihn diese Sache hier interessiert«, sagte er schließlich. »Damit kann er doch keinen Gewinn machen. Und das ist eigentlich sein einziger Antrieb. Er muss darin etwas sehen, was es ihm wert erscheinen lässt. Ich frage mich nur, was das sein könnte.«
Er griff nach der Plastiktüte mit den Ausschnitten.
»Ich sehe zu, was sich tun lässt. Aber erwarten Sie nicht zu viel. Ich bin kein hohes Tier, das einfache Sonderuntersuchungen anordnen kann. Aber ich werde mich erkundigen. Ich habe ja noch einige Kontakte zu unterschiedlichen Stellen. Wenn die nicht alle zusammen mit den Mammuts ausgestorben sind.«
Schnee wirbelte durch die Luft. Sie standen draußen vor dem Haus und warteten auf das Taxi, das jeden Augenblick kommen musste. Olle Ivarsson sah sich um.
»Fühlen Sie sich hier wohl?«
John Nielsen zuckte mit den Achseln. »Irgendwo muss man ja wohnen. Aber, ja, ich fühle mich wohl hier. Ich habe mich eingelebt.«
Ivarsson sah ihn mit zweifelnder Miene an und machte eine Kopfbewegung zu den Hochhäusern. »Trotz der Tatsache, dass ein Ghetto in Ihrer nächsten Nachbarschaft ist?«
Nielsen sah ihn mit hochgezogener Augenbraue an. »Soll ich vielleicht hoch zu Ihnen ziehen? Aber dort scheint es
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