Verschollen
Da und dort hob er den Kopf, sah wachsam hinüber zum Wagen und bellte, als würde er mitteilen wollen, dass er sich durchaus seiner Pflicht bewusst war, ehe er zu seiner Schnüffeltätigkeit zurückkehrte. Nielsen schwieg und beobachtete den Hund. Dann wandte er sich zu Larsson.
»Womit verdienen Sie eigentlich Ihr Geld, Larsson?«, sagte er. »Wer sind Sie?«
Bernt Larsson lachte leise. »Was wollen Sie denn haben? Vollständige Personenangaben, Schuhgröße?«
Nielsen schüttelte wütend den Kopf. »Glauben Sie denn, dass ich ein kompletter Vollidiot bin? Dass Sie kein Chorknabe sind, habe ich gleich erkannt. Aber jetzt beginne ich mich langsam zu fragen, wie viel an Ivarssons Behauptung womöglich dran ist.«
»Und was hätten Sie davon, wenn Sie es genau wüssten? Welchen Nutzen könnten Sie daraus ziehen?«
Bernt Larsson sah ihn einen Moment lang aus den Augenwinkeln an. Dann lehnte er sich in den Sitz zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. »Nun, wir werden es wohl ausprobieren müssen. Und sehen, ob Sie dadurch so viel glücklicher werden.«
Er machte eine kurze Pause.
»Damals, als ich Mitte der Siebzigerjahre hierher zurückkehrte, war ich nichts wert. Also ungefähr so viel, wie zu dem Zeitpunkt meines Aufbruchs. Eine Zeit lang akzeptierte ich es, dachte, dass es nun einmal so sein müsse. Aber eines Tages war ich es leid und habe einen Entschluss gefasst. Ich würde niemals einen krummen Buckel machen, wie es meine gesamte Familie getan hat, seit ich denken kann. Ich würde mir nehmen, was ich brauchte. Und ich wusste, wie. Ich wusste nämlich etwas, was niemand anderes zu wissen schien.«
»Und das war?«, fragte Nielsen nach, als der andere nicht weitersprach.
»Dass ich nicht dumm war!«, sagte Bernt Larsson mit einem Lächeln. »Ich wusste sogar, dass ich alles andere als dumm war!«
»Und das hat ausgereicht?«
»Das reicht in der Regel ziemlich weit. Außerdem wusste ich auch, dass es immer Leute gibt, die bereit sind, für das eine oder das andere zu bezahlen. Gut zu bezahlen. Und dass es auch solche gibt, die bereit sind, gewisse Dinge zur Verfügung zu stellen. Aber es muss auch jemanden im Hintergrund geben. Der zusieht, dass die Geschäfte über die Bühne gehen, der vermittelt und organisiert.«
»Dann hatte Ivarsson also doch Recht?«
Bernt Larsson schnaubte ungeduldig. »Ivarsson! Der hatte bestimmt andere Gründe, das zu sagen. Wissen Sie, was ich bin? Ein verdammter kleiner Einzelhändler. Ich kaufe und verkaufe. Und vermittle Geschäfte, Waren und Dienste. Nichts worüber Sie grübelnd die Nacht verbringen müssen. Kleinkram. Bagatellen. Aber es läppert sich eben zusammen.«
»Und das da?«
Nielsen machte eine Kopfbewegung zu der Schrotflinte auf dem Boden. Doch Bernt Larsson zuckte bloß mit den Schultern.
»Zur Sicherheit. Wie ich schon sagte, ich bin nicht dumm. Ich wusste immer, dass es nicht ungefährlich ist, was ich da mache. Und das Gleiche gilt jetzt auch für Sie, nicht wahr? In diesem Fall, meine ich!«
Nielsen schwieg, starrte durch die getönte Scheibe. Wieder befiel ihn diese Müdigkeit. Plötzlich hatte er das Gefühl, dass er es kaum schaffen würde, aus dem Wagen zu steigen und ins Haus zurückzugehen. Und zudem verspürte er eine Geborgenheit, hier neben Bernt Larsson zu sitzen, die verlockend war. Als würde er allein dadurch beschützt und sicher sein. Umsorgt. Diese Empfindung ärgerte ihn, und er schüttelte sich.
Unter großer Kraftanstrengung richtete er sich auf und öffnete die Tür. »Dann warten wir. Bis auf weiteres. Aber wenn er auftaucht, wenn überhaupt irgendjemand auftaucht, dann gehen wir mit ihm zur Polizei. Es gibt genug Gründe, ihn genauer unter die Lupe zu nehmen. Wir machen nichts anderes, ist das klar?«
Bernt Larsson sah ihn eine Weile stumm an. Dann zog er zweifelnd die Augenbrauen hoch. »Und wie stellen Sie sich das vor? Wollen Sie ihn nett bitten, Ihnen aufs Revier zu folgen?«
Nielsen überhörte die Frage.
»Diese Woche. Wir warten noch diese Woche. Dann werde ich irgendetwas unternehmen. Einen Text schreiben, wenn es nicht anders geht. Wie verrückt die Geschichte dann auch klingen mag.«
Bernt Larsson nickte.
»Ich bin hier in der Nähe«, sagte er. »Sie haben ja meine Handynummer. Aber benutzen Sie die nur, wenn es unbedingt sein muss, und sagen Sie nur das Nötigste.«
Die folgenden Tage verbrachte er wie in Trance. Er machte kein Licht an, ging nicht ans Telefon. Ab und zu warf er einen Blick auf
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