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Verschwiegen: Thriller (German Edition)

Verschwiegen: Thriller (German Edition)

Titel: Verschwiegen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Landay
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Geschichte eingebunden sein. Die Geschworenen müssen wissen, worum es bei der Anklage geht. Finden Sie für die Jury die Antwort auf die Frage »worum geht es bei dem Fall«, und Sie werden ihn gewinnen. Fassen Sie ihn in eine Formel, in ein Thema, in einen Begriff, der sich in den Köpfen der Geschworenen festsetzt. Er muss präsent sein, wenn sie sich über den Fall beraten. Die Geschworenen müssen dabei mit Ihren Worten sprechen.
    »Der Angeklagte drehte durch.« Ein Fingerschnippen.
    Er kam zur Verteidigung herüber und trat absichtlich zu nahe heran, um unsere Sphäre zu verletzen. Sein Zeigefinger war auf Jacob gerichtet, der nach unten sah. Logiudice war ein Haufen Scheiße, aber seine Technik war fantastisch.
    »Aber das hier ist nicht nur irgendein Junge aus gutem Hause, der zufällig auch noch jähzornig ist. Er hat noch etwas, was ihn von anderen unterscheidet.«
    Logiudices Zeigefinger wanderte von Jacob zu mir.
    »Er hat einen Vater, der Staatsanwalt war. Und auch nicht irgendein Staatsanwalt, sondern der Stellvertreter der Bezirksstaatsanwältin, der Mann an der Spitze der Behörde, in der ich arbeite. Genau hier in diesem Gebäude.«
    Ich hätte in diesem Augenblick am liebsten Logiudices verdammten Zeigefinger von seiner blassen, sommersprossigen Hand gerissen. Aber ich blickte ihn nur an und zeigte keine Reaktion.
    »Dieser Angeklagte …«
    Er zog den Zeigefinger zurück, hob ihn hoch, als wollte er die Windrichtung prüfen, und wedelte ihn dann leicht hin und her, während er zurück zur Jury ging.
    »Dieser Angeklagte …«
    Lassen Sie den Angeklagten namenlos, sprechen Sie immer nur vom Angeklagten. Ein Name macht ihn zu einem Menschen und führt ihn der Jury als eine Person vor, die Vertrauen und vielleicht sogar Mitleid verdient.
    »Der Angeklagte war kein ahnungsloser Teenager. Jahrelang war er dabei, wenn sein Vater die wichtigen Mordfälle in diesem Land vor Gericht brachte. Man sprach beim Abendessen darüber, er war bei Telefongesprächen anwesend, er hörte die Erwachsenen darüber reden. Er wuchs in einem Elternhaus auf, in dem Mord zur Familie gehörte.«
    Jonathan ließ seinen Füller auf den Notizblock fallen, stöhnte leicht auf und schüttelte den Kopf. Die Aussage, dass »Mord zur Familie« gehörte, kam dem Thema gefährlich nahe, das Logiudice anzuschneiden untersagt war. Doch machte Jonathan keinen Einspruch geltend. Er wollte die Anklage nicht mit technischen und juristischen Finessen blockieren. Seine Verteidigungsstrategie war ganz klar: Jacob hat den Mord nicht begangen, und Jonathan wollte diese klare Aussage nicht verwässern.
    Ich begriff seine Haltung, aber ich war trotzdem außer mir, dass Logiudices Blödsinn ungestraft blieb.
    Der Richter musterte Logiudice.
    Und Logiudice fuhr fort. »Mordverfahren waren Gesprächsthema in der Familie. Wie man einen Mörder überführt, und darum geht es hier, war dem Angeklagten unmittelbar aus der Realität vertraut, nicht aus irgendwelchen Fernsehserien. Als er dann durchdrehte, als der Moment endlich gekommen war und er seinen Klassenkameraden nach einer fatalen Provokation mit Messerstichen tötete – war der Boden schon bereitet. Und so verwischte er seine Spuren wie ein Experte, denn er war gewissermaßen ein Experte.
    Es gab da nur ein Problem: Auch Experten machen Fehler. Und in den nächsten Tagen werden wir zusammen die Indizien zurückverfolgen, die direkt auf ihn deuten. Und nur auf ihn. Wenn Sie diese Indizien kennen, werden Sie ohne jeden Zweifel zu dem Schluss kommen, dass dieser Angeklagte schuldig ist.«
    Kunstpause.
    »Aber warum?, werden Sie fragen. Warum sollte ein Junge im achten Jahrgang seinen Schulkameraden umbringen? Warum tun sich Kinder gegenseitig so etwas an?«
    Er spielte den Fassungslosen – hochgezogene Augenbrauen, Achselzucken.
    »Wir waren alle mal in der Schule, oder?«
    Seine Lippen verzogen sich zu einem verschwörerischen Grinsen. Na, kommen Sie schon, denken Sie mal an Ihre Schulstreiche zurück.
    »Also, wir waren alle in der Schule, und bei manchen von Ihnen liegt das noch gar nicht so lange zurück.«
    Er setzte ein falsches Lächeln auf, das manche der Geschworenen zu meiner Überraschung mit bedeutungsvollem Grinsen erwiderten.
    »Genau, wir waren alle mal in der Schule. Wir wissen alle noch, wie Kinder miteinander umgehen. Seien wir mal ehrlich: Die Schule ist kein Ponyhof. Kinder können sehr gemein sein, sie ärgern sich gegenseitig, sie verspotten einander, sie spielen üble

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