Verschwiegen: Thriller (German Edition)
deiner Meinung gefragt. Ist es nicht völlig lächerlich, zu glauben, dass Jacob das getan haben könnte?«
»Die Vorstellung fällt mir schwer, das stimmt.«
»Aber du kannst es dir vorstellen?«
»Ich weiß nicht. Du nicht, Andy? Du kannst es dir überhaupt nicht vorstellen?«
»Nein, kann ich nicht. Wir reden hier von unserem Sohn.«
Sie zog sich vorsichtig von mir zurück. »Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich kann ich es mir letztlich auch nicht vorstellen. Aber dann denke ich wieder: Beim Aufwachen heute Morgen konnte ich mir das Messer auch nicht vorstellen.«
Achtes Kapitel
Das Ende
Sonntag, 22. April 2007, zehn Tag nach dem Mord
Ein unwirtlicher, verregneter Morgen. Hunderte von Freiwilligen waren gekommen, um den Cold Spring Park nach dem fehlenden Messer abzusuchen. Sie repräsentierten einen Querschnitt durch die Bevölkerung: Da waren McCormick-Schüler, von denen einige mit Ben Rifkin befreundet gewesen waren, andere gehörten ganz klar zu anderen Kreisen – sportliche Typen, Computerfreaks und artige Mädchen; außerdem viele junge Mütter und Väter und einige von den üblichen Aktivisten, die immer irgendwelche Gemeinschaftsaktionen organisierten. Sie alle waren an diesem feuchten Morgen versammelt und hörten Paul Duffy zu, der erklärte, wie die Suche vonstatten gehen würde. Dann machten sie sich in Grüppchen in das feuchte Gelände auf und durchsuchten den Wald in den jeweils zugewiesenen Planquadraten nach dem Messer. Die Aktion hatte etwas Entschlossenes. Alle waren erleichtert, weil sie endlich etwas tun und bei den Ermittlungen mithelfen konnten. Bald würde der Fall gelöst sein, da waren sie sicher. Die Warterei war demoralisierend, und mit dem Auffinden des Messers würde sie zu Ende sein. Man würde an dem Messer Fingerabdrücke oder irgendetwas anderes finden, mit dem sich das Rätsel lösen ließ, und dann würde die Stadt endlich wieder aufatmen können.
Mister Logiudice:
Sie haben sich an der Suche nicht beteiligt, nicht wahr?
Zeuge:
Das stimmt.
Mister Logiudice:
Weil es ein aussichtsloses Unterfangen war. Das Messer, nach dem jedermann suchte, war bereits in Jacobs Schrankschublade gefunden worden. Und Sie hatten es bereits für ihn entsorgt.
Zeuge:
Nein. Ich wusste, dass dies nicht das Messer war, nach dem jedermann suchte. Daran bestand für mich keinerlei Zweifel. Kein einziger.
Mister Logiudice:
Warum haben Sie sich dann nicht an der Suche beteiligt?
Zeuge:
Ein Staatsanwalt beteiligt sich niemals an der Suche nach Beweismitteln. Ich konnte nicht riskieren, bei meinen eigenen Ermittlungen zu einem Zeugen zu werden. Überlegen Sie mal: Falls ich die Mordwaffe finden würde, dann wäre ich ein Hauptzeuge. Ich müsste im Gerichtssaal in den Zeugenstand treten. Ich müsste den Fall abgeben. Deshalb hält sich ein guter Staatsanwalt immer im Hintergrund. Wenn ein Durchsuchungsbefehl durchgeführt wird, wartet er auf der Polizeistation oder auf der Straße, bei einer Vernehmung im Nebenzimmer. Das ist das Einmaleins der Anklage, Neal. So läuft das. Das ist genau das, was ich dir einst eingebläut habe, aber vielleicht hast du da gerade nicht zugehört.
Mister Logiudice:
Es gab also verfahrenstechnische Gründe.
Zeuge:
Niemand hoffte mehr auf eine erfolgreiche Suche als ich. Ich wollte einen eindeutigen Beweis dafür, dass mein Sohn unschuldig war. Hätte man damals die Tatwaffe gefunden, dann hätten wir diesen Beweis gehabt.
Mister Logiudice:
Dass Sie Jacobs Messer verschwinden ließen, bereitet Ihnen kein Kopfzerbrechen? Nicht einmal im Rückblick?
Zeuge:
Ich habe das getan, was ich für richtig hielt. Jake war unschuldig. Es war das falsche Messer.
Mister Logiudice:
Natürlich wollten Sie Ihre Behauptung nicht auf die Probe gestellt sehen, oder? Entgegen Ihrer Drohung gegenüber Jacob, haben Sie das Messer nicht für eine forensische Analyse eingereicht — für eine Untersuchung auf Fingerabdrücke, Blut- oder Gewebespuren.
Zeuge:
Es handelte sich um das falsche Messer. Das war auch ohne Analysen klar.
Mister Logiudice:
Sie kannten also bereits das Resultat.
Zeuge:
Ja.
Mister Logiudice:
Und was machte Sie so sicher?
Zeuge:
Ich kannte meinen Sohn.
Mister Logiudice:
Das ist alles? Dass Sie Ihren Sohn kannten?
Zeuge:
Ich tat das, was jeder Vater tun würde. Ich wollte ihn vor seiner eigenen Dummheit bewahren.
Mister Logiudice:
Gut. Belassen wir es dabei. Wo haben Sie sich aufgehalten, während an jenem Morgen der Cold Spring Park
Weitere Kostenlose Bücher