Verschwiegen: Thriller (German Edition)
Seite während des letzten Jahres ein unübersehbarer Hinweis auf ihre Dauerkampagne war. Persönlich hatte ich nichts gegen Siff, doch missfiel mir sein Eindringen in einen ehrwürdigen Apparat, der mein Leben war. Meistens machte er nicht einmal den Mund auf, doch seine Gegenwart ließ keinen Zweifel daran, dass es hier auch um politische Zusammenhänge ging.
Bezirksstaatsanwältin Canavan sagte: »Setz dich, Andy.«
»Glaubst du, dieser ganze Aufwand ist wirklich nötig, Lynn? Was, glaubst du, hätte ich tun sollen? Aus dem Fenster springen?«
»Das ist in deinem Interesse. Du weißt doch, wie das läuft.«
»Und wie läuft das? Ich komme mir vor, als würde ich unter Arrest stehen.«
»Nein. Wir wollen nur vorsichtig sein. Im Ärger werden manche Menschen unberechenbar. Wir wollen doch keine Zwischenfälle. Du hättest genauso entschieden wie ich.«
»Das stimmt nicht.« Ich setzte mich. »Und worüber soll ich mich nun ärgern?«
»Wir haben schlechte Nachrichten, Andy«, eröffnete sie. »Im Fall Rifkin. Du erinnerst dich an den Fingerabdruck an der Jacke des Opfers? Er stammt von deinem Sohn Jacob.« Sie schob mir einen zusammengehefteten Befund über den Tisch.
Ich überflog die Seiten. Der Befund stammte aus dem Labor der bundesstaatlichen Polizei. Er identifizierte zwölf Übereinstimmungen zwischen dem Fingerabdruck am Tatort und jenem auf Jacobs Probe, viel mehr als die acht Standardkriterien, die normalerweise für einen positiven Befund erforderlich sind. Es war der rechte Daumen: Jacob hatte seine Hand ausgestreckt und das Opfer an seiner offenen Jacke gepackt und an dem Schildchen an der Innenseite einen Abdruck hinterlassen.
»Ich bin sicher, dafür gibt es eine Erklärung«, stammelte ich.
»Ganz sicher.«
»Sie besuchen dieselbe Schule. Jacob ist in derselben Klasse. Sie kannten einander.«
»Ja.«
»Das bedeutet nicht –«
»Das wissen wir, Andy.«
Man sah mich mitleidig an. Alle, bis auf die jüngeren Polizisten, die jetzt am Fenster standen und die mich nicht kannten und mich verachteten wie jeden anderen Bösewicht.
»Du bist freigestellt, dein Gehalt erhältst du weiter. Es ist teilweise auch mein Fehler: Ich hätte nicht zulassen dürfen, dass du diesen Fall übernimmst. Diese Herren« – sie wies auf die Polizisten – »werden dich zu deinem Büro bringen. Dort kannst du deine persönlichen Gegenstände einpacken. Keine Akten oder andere Papiere. Dein Computer ist tabu, die Ergebnisse deiner Arbeit gehören der Staatsanwaltschaft.«
»Wer übernimmt den Fall?«
»Neal.«
Ich lächelte . Klar, wer sonst .
»Hast du irgendwelche Einwände dagegen, Andy?«
»Spielt meine Meinung eine Rolle, Lynn?«
»Unter Umständen, wenn du triftige Gründe vorbringst.«
Ich schüttelte den Kopf. »Nein. Lass ihn übernehmen. Ich bestehe darauf.«
Logiudice schaute beiseite und vermied jeden Blickkontakt.
»Hat man ihn festgenommen?«
Weitere abgewandte Augenpaare, jeden Kontakt mit mir vermeidend.
»Hat man meinen Sohn festgenommen, Lynn?«
»Nein.«
»Wirst du das veranlassen?«
»Darüber müssen wir dich nicht informieren«, warf Logiudice ein.
Canavan erhob ihre Hand, um ihn zu unterbrechen. »Ja. Uns bleibt unter diesen Umständen keine andere Wahl.«
»Unter diesen Umständen? Unter welchen Umständen? Glaubst du, er wird sich nach Costa Rica absetzen?«
Sie zuckte mit den Achseln.
»Hast du schon einen Haftbefehl?«
»Ja.«
»Ich gebe dir mein Wort, Lynn: Er wird sich stellen. Eine Festnahme ist nicht nötig. Er gehört nicht ins Gefängnis, nicht einmal für eine Nacht. Es besteht keine Fluchtgefahr, und du weißt das. Er ist mein Sohn, er ist mein Sohn, Lynn. Ich möchte nicht, dass man ihn festnimmt.«
»Andy, es ist wahrscheinlich besser, wenn du dem Gerichtsgebäude eine Zeit lang fernbleibst, bis sich die Lage beruhigt hat«, riet die Bezirksstaatsanwältin, meine Bitte wie Rauchwolken fortwedelnd.
»Lynn, ich bitte dich als Freund um einen persönlichen Gefallen: Bitte lass ihn nicht festnehmen.«
»Das hier ist keine Lappalie.«
»Warum? Ich verstehe nicht – wegen eines Fingerabdrucks? Eines bescheuerten Fingerabdrucks? Das ist alles? Da müsst ihr schon mehr haben – habt ihr mehr?«
»Ich schlage dir vor, einen Rechtsanwalt zu besorgen, Andy.«
»Einen Rechtsanwalt besorgen? Ich bin Anwalt. Warum tust du meinem Sohn das an? Du zerstörst meine Familie. Ich habe ein Recht darauf, den Grund zu erfahren.«
»Ich ziehe meine Schlüsse aus den
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