Verschwiegen: Thriller (German Edition)

ablehnen.«
    »Er hatte recht. Deshalb hätte er diese Unterhaltung auch führen sollen.«
    »Er macht nur seinen Job. Sie sollten das als Erster begreifen.«
    »Sein Job ist, das zu tun, was seine Mandanten verlangen.«
    »Sein Job ist es, den Prozess zu gewinnen, Andy, und nicht auf individuelle Gefühle Rücksicht zu nehmen. Wie auch immer, nicht Sie sind der Mandant, sondern Jacob. Und er ist der einzig Wichtige. Deshalb sitzen wir alle hier, um ihm zu helfen.«
    »Jonathan wird also vor Gericht argumentieren, dass Jacob das Mördergen besitzt?«
    »Wenn es nicht anders geht, ja, dann kann es sein, dass er argumentieren wird, dass Jacob ein spezifisches Gen besitzt, das sein Verhalten unter Umständen aggressiver und sozial nicht konform macht.«
    »Die Leute auf der Straße werden sich um diese ganzen Begriffe und Nuancen nicht scheren. Die Zeitungen werden vom Mördergen reden und behaupten, wir wären geborene Killer. Unsere ganze Familie.«
    »Wir können ihnen nur die Wahrheit sagen, was sie dann daraus machen, darauf haben wir keinen Einfluss.«
    »Okay, ich lasse mir also diese DNA -Probe nehmen. Wonach genau werden Sie suchen?«
    »Kennen Sie sich in Biologie etwas aus?«
    »Ich habe nur mein Highschool-Wissen.«
    »Waren Sie gut in Biologie?«
    »Im Klarinettespielen war ich besser.«
    »Okay, auf die Schnelle: Das Verhalten von Menschen ist unglaublich komplex, und ein bestimmtes Verhalten wird nicht einfach durch ein Gen ausgelöst, sondern auch die Umgebung spielt eine Rolle. Und kriminelles Verhalten ist auch kein wissenschaftlicher, sondern ein juristischer Begriff, und was in einer Situation kriminell ist, muss es in einer anderen nicht sein, wie zum Beispiel im Krieg –«
    »Okay, das habe ich alles verstanden. Was suchen Sie denn nun in meinem Speichel?«
    Sie lächelte freundlich. »Okay. Es gibt für Asozialität bei Männern zwei Genvarianten, was generationenübergreifende Gewalt in Familien wie der Ihren erklären könnte. Die erste ist das Gen MAOA , es befindet sich an einem X-Chromosom, und es kontrolliert ein Enzym, das bestimmte Neurotransmitter wie Serotonin, Norepinephrin und Dopamin umwandelt. Es ist für aggressives Verhalten verantwortlich und wird deshalb auch das Kriegergen genannt. Seine Mutation trägt den Namen MOAO Knockout. Vor Gericht kam es schon einmal als Auslöser für Gewalt zur Sprache, aber die Argumentation war allzu simpel und wurde damals abgelehnt. Seitdem haben wir dazugelernt, was die Interaktion von Gen und Umgebung angeht, denn die Wissenschaft hat sich rasant weiterentwickelt, und jetzt haben wir mehr Kenntnisse.
    Die zweite Mutation ist ein Serotonintransporter, sein Gen-name ist SLC6A4 . Er befindet sich am siebzehnten Chromosom und dient dem Transport von Serotonin von der Synapse in die Zelle.«
    Ich hob die Hand, mir reichte es
    »Die wissenschaftlichen Erkenntnisse sind fundiert und entwickeln sich ständig weiter. Bis vor Kurzem haben wir uns immer gefragt, was menschliches Verhalten definiert. Veranlagung oder Umwelt? Was die Einflüsse der Umwelt angeht, haben wir große Fortschritte erzielt, es gibt viele hervorragende Untersuchungen. Zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte können wir uns die biologische Seite ansehen. Das ist Pionierwissen. Die DNA -Struktur wurde erst 1953 entdeckt, und wir fangen gerade erst an, Zusammenhänge zu begreifen. Nicht als Metaphern wie ›die Seele‹, oder ›das Herz‹, sondern den tatsächlichen inneren Mechanismus. Der Körper«, und hier nahm sie ein Stück Haut an ihrem Arm zwischen zwei Finger und zog es zur Anschauung ein wenig nach oben, »ist eine Maschine, ein sehr komplexes System aus Molekülen, das durch chemische Reaktionen und elektrische Impulse gesteuert wird. Unser Verstand ist Teil dieses Apparats. Die Leute haben kein Problem damit, den Einfluss des sozialen Umfelds auf das Verhalten zu akzeptieren. Warum sollte nicht auch die Biologie Verhalten beeinflussen?«
    »Wird das helfen, meinen Jungen vor einer Verurteilung zu bewahren?«
    »Unter Umständen.«
    »Dann machen wir es.«
    »Und noch was.«
    »Welch eine Überraschung.«
    »Ich brauche auch einen Abstrich von Ihrem Vater.«
    »Von meinem Vater? Das ist nicht Ihr Ernst. Ich habe mit meinem Vater das letzte Mal gesprochen, als ich fünf war. Ich weiß nicht einmal, ob er noch lebt.«
    »Er lebt, und zwar im Gefängnis Northern Prison, in Somers, Connecticut.«
    Pause. »Dann nehmen Sie den Abstrich.«
    »Das habe ich versucht, er will