Verschwörung beim Heurigen
die Dinge geschehen. Vorausgesetzt, Ihre Beobachtung des flüchtigen Täters trifft zu – dann war da jemand
unfähig, einen Konflikt anders als mit Gewalt zu lösen. Nehmen wir an, der Konflikt ist in der Kellerei eskaliert, aber sicher
sind ihm über einen langen Zeitraum Auseinandersetzungen vorausgegangen, ein Affektstau sozusagen.«
»Dann gab es hier kein anderes Mittel als ... «
»Manchem Täter scheint Mord zum Erreichen seines Ziels durchaus logisch, er will jemanden im wahrsten Sinne des Wortes aus
dem Weg räumen«, erklärte der Inspektor nachdenklich. »Aber nur, wenn man als Täter nicht direkt in Betracht kommt. Die meisten
Mörder leben in einem Umkreis von 20 Kilometern um ihr Opfer.«
»Sie meinen, so ein Konflikt liegt hier vor?«
»Herr Breitenbach. Für Inspektor Herrndorff sind Sie der Hauptverdächtige.«
»Geht er überhaupt anderen Spuren nach?«
Fechter hatte die Frage nicht mehr beantwortet. Nur die Vermutung der Sieben, dass Richard der Mörder sei, hielt ihm den Rücken
frei. Zumindest war bewiesen, dass es Mord gewesen war, blitzschnell arrangiert, in den fünfzehn Minuten seiner Abwesenheit.
Der Täter musste die Örtlichkeiten gekannt haben. Wem außer Richard nutzte Marias Tod? Es musste sich für den Mörder um eine
existenzielle Frage handeln, dass er ein derartiges Risiko eingegangen war. Marias Frauen boten eine Lösung an, aber sie irrten.
Es waren nicht Richards Schritte gewesen, die er gehört hatte. Doch er hatte lediglich die Rückenansicht eines Unbekannten
zu bieten.
Was hatte Inspektor Fechter am Schluss des Gesprächs gemeint? »Vielleicht sollten Sie sich auch mal um Ihre Frau |189| kümmern! Haben Sie es mal mit Surfen versucht?« Es waren dieselben Worte wie die von Karola. Der scheinheilige Lump wusste
doch was, so unbedarft, wie der tat ... und in dem Moment sah Carl diesen braun gebrannten Schönling vor sich.
Ein Stück von der Tankstelle entfernt hielt Carl an und schaute zurück. Der Inspektor folgte ihm nicht. Dafür stach Carl das
hässliche Ensemble geradezu ins Auge: Tankstelle, Supermarkt und Hotel, Schuhkartons, der absolute Kontrast zu allem, was
er bislang im Burgenland gesehen hatte – gerade erst fertig gestellte Bauruinen. Oder sollte drum herum noch mehr gebaut werden?
Gehörte dieser ominöse Nachtclub auch zum Komplex, der besser in die Wüste Nevada passte als zwischen Schützen und Donnerskirchen?
Wieder quälte ihn der neue Sattel, dabei hatte er den Rennsattel längst gegen eine weichere Tourenversion ausgetauscht. Wie
hielten es Rennfahrer stundenlang auf diesen entsetzlichen Dingern aus? Er stellte sich in die Pedale. Donnerskirchen war
schnell erreicht, hinter dem Ort stand leuchtend gelb die Wehrkirche St. Martin vor dem satten Grün des Leithagebirges, und
darüber standen aufgeblähte Gewittertürme. Heute machte die Hitze Carl sehr zu schaffen, schwüle 35 Grad waren auch ihm zu viel. Endlich kam Purbach in Sicht, wo er wieder zwischen die Lastwagen musste.
Ein alter roter Passat überholte ihn langsam, ein H für Ungarn auf der Heckklappe. Der Wagen hielt in einer Einfahrt und schnitt
ihm den Weg ab. Schon wieder Polizei? Der Fahrer stieg aus, ein dunkelhaariger Typ, und breitete entschuldigend die Arme aus.
In miserablem Deutsch stammelte er etwas von »der Autobahn nach Wien«, dabei fuchtelte er mit einer Straßenkarte herum.
Eine Autobahn gebe es erst hinter Jois, erklärte Carl, auf dem Weg nach Parndorf, die A 4. Aber der Ungar tippte immer wieder auf die Karte. Nach einem Moment hatte Carl begriffen. Neben dem See war tatsächlich eine
gestrichelte |190| Linie eingezeichnet, das bedeutete Autobahn im Bau. Die Straßenkarte stammte von 1998, und jetzt verstand er die Aufregung
des Ungarn, der meinte, sich verfahren zu haben.
»Hier gibt’s nur die B 50, die Landstraße«, sagte Carl und fuhr mit dem Finger daran entlang. »Fahren Sie geradeaus, dann
kreuzen Sie die Autobahn, links geht’s nach Wien und rechts nach Ungarn.«
Johanna und er waren anders gefahren, sie hatten hinter Wien die A 3 nach Eisenstadt genommen, waren hinter der Stadt auf
die S 31 abgebogen und bei der Polizeidirektion, wie er jetzt wusste, auf die B 50 gestoßen.
Der Ungar bedankte sich überschwänglich, Frau und Kinder winkten aus dem Auto, und Carl schob das Rad bis zur Ampel am Türkentor,
einer Wehranlage aus der Zeit der Türkenkriege, die dem Ort damals nichts genutzt
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