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Verschwoerung der Frauen

Verschwoerung der Frauen

Titel: Verschwoerung der Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
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natürlich leicht verrutschten und verkratzten, weshalb die meisten von uns lieber auf die altmodischen zurückgriffen, bei denen jede Platte einzeln von Hand gedreht wurde.
    Aber der Capehart, der in einer riesigen Vitrine untergebracht war, funktionierte nach einem raffinierten System. Mechanische Greifer drehten jede Platte einzeln um. War sie auf Vorder- und Rückseite abgespielt, beförderten die Greifer sie in die mit Filz ver-kleideten Halterungen an der Rückwand der Vitrine.
    Manchmal wurde der Capehart ärgerlich – über die Musik, über uns, oder weil er überstrapaziert war? – und schleuderte die Platten durchs Zimmer. Wir lachten und applaudierten und legten sie wieder zurück. Immer wollte ich Dorinda oder ihre Mutter fragen, was aus dem Capehart geworden ist. Als die Langspielplatten aufkamen, ging er wahrscheinlich den Weg aller veralteten Gegenstände in unserer Kultur.
    Nellie war in unserer Schule und Gruppe sehr beliebt. Meiner Erinnerung nach verbrachten wir drei, Dorinda, Nellie und ich, unsere Zeit mit nichts anderem als endlosen Gesprächen über das vor uns liegende, zu entdeckende Leben und mit Pläneschmieden für unsere, wie wir damals glaubten, unkonventionelle Zukunft. Welche Vorstellungen hatten wir von unserem Leben? Ich habe versucht, mich zu erinnern, was wir einander alles erzählten, habe mich angestrengt, unsere Stimmen einzeln zu hören und nicht, wie ich mich meistens erinnere, zum Chor verschmolzen. Nun, vielleicht sollte ich lieber sagen, zu einem Chor mit Dirigentin, denn Dorindas Stimme war die dominierende. Sie gab den Ton an und orchestrierte unsere Debatten.
    Der Grund dafür war nicht nur, daß ihre Familie und ihr Geld Nellie und mich unterstützten – Nellie und ich waren von Natur aus eher ruhig, Dorinda dagegen sehr lebhaft: Sie wußte, was sie wollte und brachte es klar zum Ausdruck. Weder Nellie noch ich hätten uns je vorgestellt und schon gar nicht prophezeit, daß Dorinda später einem so konventionellen Schicksal anheimfallen sollte.
    Nicht einmal Nellies Erfahrungen in Europa schienen authenti-35

    scher zu sein als Dorindas, denn Dorinda hatte Europa gesehen und ließ sich ihr Leben lang von Europa besuchen. Die einzige Erfahrung, die ich anbieten konnte, die von Armut und harter Arbeit, hatte ich keine besondere Lust, ins Spiel zu bringen.
    Worüber sprachen wir in all jenen Stunden? Über das fantasierte Sexualleben unserer Lehrer, das wirkliche Leben der Familien unserer Schulfreundinnen, jedenfalls so, wie wir es beobachteten und interpretierten.
    »Ihr Vater hatte jahrelang eine Mätresse«, sagte Dorinda zum Beispiel. Jenes Gespräch über eine besonders reiche und vornehme Familie, deren trauriger letzter Sproß in unserer Klasse war, ist mir noch deutlich im Gedächtnis.
    »Was ist denn eine Mätresse?« fragte Nellie. Ich erinnere mich, daß auch ich nicht wußte, was der Ausdruck bedeutete (so unglaublich das heute auch klingen mag) und froh war, daß Nellie gefragt hatte.
    »Eine Konkubine«, sagte Dorinda und gab damit eine Erklärung, die uns, mit unserer Bücherweisheit, völlig zufriedenstellte.
    Ich weiß noch, wie ich fragte: »Und was haben Frauen?« Ich haßte die Art, wie die ganze Welt vom Blickwinkel der Männer aus gesehen wurde.
    »Frauen nehmen sich Liebhaber«, sagte Dorinda. »Nellies Mutter hatte einen, natürlich vor Nellies Geburt.« Letzteres fügte sie ziemlich unlogisch hinzu, um Nellie nicht zu verletzen. Wir griffen uns nie gegenseitig an und stritten uns nur um Prinzipien.
    »Auch nach meiner Geburt«, sagte Nellie, als handele es sich dabei lediglich um eine Frage korrekter Wiedergabe von Daten. »Alle wußten es.«
    Zu dem Zeitpunkt kannten wir natürlich Emmanuel Foxx’ Bü-
    cher in- und auswendig und hatten großen Respekt vor Nellies väter-lichem Erbgut. Nur Len und ich gestanden einander ein, daß Foxx uns nicht fesselte. Ich hatte Schuldgefühle deswegen: Schließlich schrieb er über eine Frau, und interessiert, wie ich an Frauen war, fand ich nur selten Bücher, die Frauen nicht romantisch verklärten.
    Ohne daß es mir klar war, spürte ich vielleicht, daß das, was Foxx produziert hatte, nicht die Gedanken einer Frau waren, sondern Männerfantasien über die Gedanken einer Frau. Trotz Lens und meiner Zweifel, die wir für uns behielten (meine einzige Illoyalität gegenüber Dorinda), war Nellie von einer Gloriole umgeben, deren Widerschein auch Dorinda traf und sogar auf mich genügend abfärb-36

    te,

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