Verschwoerung der Frauen
Raum betrat, be-grüßte er sie mit »Guten Tag, meine Kleine« und winkte sie zu sich.
Alle Freundinnen Dorindas folgten dem Winken nur ein einziges Mal, denn er schnappte sich sein Opfer, setzte es auf seinen Schoß und begann es zu streicheln, wobei seine Hände sich von den Beinen zum Intimbereich und weiter zu den beginnenden Brüsten emporar-beiteten. Nach diesem ersten Mal grüßte jede von uns freundlich zurück und machte einen großen Bogen um ihn, um schnell die Treppe hoch oder in das im hinteren Teil des Erdgeschosses liegende Eßzimmer zu verschwinden.
Seither habe ich oft darüber nachgedacht, warum Dorinda ihre Freundinnen nicht vor ihrem Großvater warnte, sondern sich damit begnügte, deren Erfahrungen mit einem achselzuckenden »jetzt 31
weißt du Bescheid« zu bestätigen. Welchen Grund sie dafür hatte, ob sie meinte, wir sollten selbst unsere Erfahrungen machen, oder ob sie sich scheute, über die Possen des alten Lüstlings zu sprechen – ich habe sie nie gefragt und weiß es bis heute nicht. Ich weiß nur, daß meine Erfahrung nicht eigentlich Kindesmißbrauch bedeutete.
Schließlich geschah das Ganze inmitten eines lebhaften Hauses.
Aber dieses Erlebnis lehrte mich schon früh eine Lektion über Sex, die ich in meinem späteren Leben immer wieder bestätigt fand: Männer nehmen sich einfach, was sie können. Ich empfand diese Erkenntnis nicht als beängstigend, sondern eher als nützlich – und nützliches Wissen anzusammeln war meine Leidenschaft.
Dorinda hatte eine ganze Zimmerflucht für sich. Der auf dem gleichen Flur gelegene Raum ihrer französischen Gouvernante stand im Sommer meistens leer, weil diese ihre Ferien in Frankreich und später, nach Kriegsausbruch, anderswo verbrachte. Außerdem gab es noch ein Zimmer für Dorindas Gäste. Dorindas eigenes Zimmer, sowohl das im New-Jersey-Haus wie das in New York, war auf ihren Wunsch als Wohnzimmer eingerichtet. Als Nellie kam, teilten wir uns das Doppelbett im Gästezimmer. In New York hatte Nellie ihr eigenes Zimmer, und ich blieb nur gelegentlich über Nacht. Aber die meisten Erinnerungen habe ich an das Haus an der Küste von New Jersey.
Fürs Abendessen, das in dem großen Eßzimmer serviert wurde, zogen wir uns um. Dorindas Großvater saß am Kopfende des Tisches und unterbrach das Gespräch regelmäßig mit Gesangesausbrüchen oder unpassenden Bemerkungen. Nach jedem Essen kämpfte er sich aus seinem Stuhl hoch und bemerkte stets laut, die Mahlzeit sei nun endlich auch geschafft. Ich wandte jedesmal die Augen von dieser Szene ab; sie war mir peinlich, weil sie sich mit so erbarmungsloser Gleichförmigkeit wiederholte. Aber nie beschwerte sich jemand über seine Marotten oder gab ihm das Gefühl, etwas anderes als das Fami-lienoberhaupt zu sein (was er, finanziell gesehen, ja auch war). Dorindas Vater leitete jetzt das Geschäft, das sein Vater von einem kleinen Familienbetrieb zu so großem Erfolg geführt hatte. Daß ich keine Ahnung hatte, um welche Art von Geschäft es sich handelte, ist bestimmt typisch für die damalige Zeit. Ich erinnere mich, daß ich glaubte, sie machten Geld, was Gott weiß ja auch stimmte. Kürzlich fragte ich Dorinda danach – ihre Familie ist seit langem aus dem Unternehmen ausgestiegen –, und sie sagte mir, es habe sich um Investmentgeschäfte gehandelt. So unrecht hatte ich also gar nicht.
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Sobald wir wußten, daß Nellie kommen würde, begannen wir, das berühmte Buch von Emmanuel Foxx zu lesen. Er hatte natürlich, vorher und nachher, noch andere geschrieben, aber durch dieses war er berühmt geworden – den Roman ›Ariadne‹, dessen Publikation in den Vereinigten Staaten und England erst hatte erstritten werden müssen. Als die Gerichte schließlich die Veröffentlichung erlaubten, waren Dorinda und ich noch zu klein, als daß es uns etwas bedeutet hätte. Dorinda hörte jedoch viel zu Hause darüber. Ihr Vater, der sich in der ganzen Angelegenheit stark engagiert hatte, nahm kein Blatt vor den Mund und schminkte seine Geschichten nicht für Kinderoh-ren zurecht. Als Nellie kam, erinnerte Dorinda sich plötzlich an die Geschichten und entdeckte ein Exemplar des berühmten Romans im Sommerhaus: Die Familie besaß außerdem alle Erstausgaben der verschiedenen Übersetzungen. Zur Zeit des Prozesses hatten viele Beratungen an der Jersey-Küste stattgefunden.
Da wir Bücherwürmer waren, fiel es uns leicht, die obszönen Stellen aufzustöbern – leichter jedenfalls als dem
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