Verschwoerung der Frauen
daß ich beneidet wurde. Teil des Trios zu sein, machte mich stolz und schmeichelte mir. Über solche Gefühle habe ich in den Jugend-erinnerungen anderer sehr selten gelesen. Für mich jedenfalls waren es verzauberte Jahre.
Inzwischen erzählte ich meiner Mutter kaum noch, wie ich meine Tage (oder Nächte) verbrachte, obwohl sie zweifellos genug über jene Kreise wußte, um sich ihre Gedanken zu machen. Offen und sehr streng sprach sie mit mir über die Gefahr, von Jungen überrum-pelt und schwanger zu werden. Ich wollte ihren Rat nicht und, nachdem ich mit Dorindas Großvater fertig geworden war, brauchte ich ihn auch nicht. Ich hatte vor, mein eigenes Leben zu leben, so viele Erfahrungen wie möglich zu machen und einen Beruf zu haben.
Glücklicherweise war Len eine ehrbare Seele und stellte meine nai-ven Vorsätze nicht auf die Probe. Außerdem machte Dorinda mit ihren wilden sexuellen Abenteuern stellvertretend für uns so viele Erfahrungen, daß es Nellie und mir leichtfiel, auf dem Pfad der Tugend zu bleiben. Wir begnügten uns damit, Dorindas Wandeln auf dem Rosenpfad der Lust mit Bewunderung und Staunen zu verfolgen. Zumindest eine Weile lang befolgte ich also den Rat meiner Mutter, aber nur, weil ihre Mahnungen und meine eigenen Beweg-gründe zufällig zusammenfielen. Das redete ich mir jedenfalls ein.
Irgendwann im Jahre 1955, während ich ein Kaufhaus durch-streifte (die drängten sich damals in der Fifth Avenue dicht an dicht), traf ich Eleanor Goddard in der Nachthemdenabteilung. Der Verlag, für den ich arbeitete, hatte beschlossen, mich nach England zu schicken, und ich fügte mich in die Notwendigkeit, mich mit einem vor-zeigbaren Schlafanzug, wie ihn damals alle Frauen trugen, auszustat-ten. (Eigenartigerweise kamen Nachthemden erst mit der Frauenbe-wegung wieder auf – Nachthemden oder gar nichts.) Ich war zwar auf keine romantischen Begegnungen eingestellt, aber schließlich bestand die Möglichkeit, daß mich Leute zu sich nach Hause einlu-den oder ich das Hotelzimmer mit jemandem teilen würde. Zwei Jahre waren vergangen, seit ich Dorindas Mutter zuletzt gesehen hatte, und ich plapperte, kaum daß wir unsere überraschten Hallos ausgetauscht hatten, von meinen Reiseplänen und Schlafanzugstrate-gien. Dorindas Mutter, die meinem umständlichen Bericht auf ihre ruhige Art zuhörte, reagierte nur auf ein Wort: London.
»Ob ich dich wohl um einen Gefallen bitten darf, während du dort bist?« fragte sie.
»Natürlich«, sagte ich. »Um jeden.« Ich dachte nicht mehr so oft 37
wie früher an Dorinda und ihre Familie, verlor aber nie das Gefühl dafür, daß ich ihnen, außer natürlich meiner Geburt und meinen ersten zwölf Jahren, fast alles verdankte. Oft stellte ich mir vor, wie ich ihnen alles zurückzahlen würde. Jetzt, wo ich viel älter bin, sehe ich, daß die Weitherzigkeit der Goddards und all ihre Geschenke, so großzügig sie auch waren, sie kein Opfer gekostet hatten und mit nicht annähernd so viel Liebe und Anstrengung erkauft waren wie das – so empfand ich es damals – absolute Minimum, das meine Mutter mir gab.
»Gabrielle Foxx lebt noch in London«, sagte Dorindas Mutter.
»Emmanuels Witwe«, fügte sie nach einem Moment hinzu, so als fürchte sie, vermessen zu erscheinen, wenn sie voraussetzte, ich wüßte, um wen es ging. Sie hätte sich keine Sorgen zu machen brauchen. Die Geschichte von Emmanuel Foxx und dem schönen aristo-kratischen Mädchen, mit dem er durchgebrannt war – wie hätte ich die vergessen sollen? »Wir haben sehr lange nichts mehr von ihr gehört. Als Emile noch lebte, schrieb er manchmal, aber Gabrielle war nie eine große Briefeschreiberin. Würdest du zu ihr gehen, wenn du in London bist?« Emile, erinnerte ich mich nach kurzem Nachdenken – ihm war von Geburt an nur eine Nebenrolle im Foxxschen Familiendrama zugedacht gewesen –, war der Sohn von Emmanuel und Gabrielle und Nellies Vater.
»Natürlich«, sagte ich wieder. Sie schrieb mir die Adresse auf einen Block (sie war immer gut organisiert, immer auf alle Eventualitäten vorbereitet – wie sonst hätte sie den komplizierten Haushalt führen sollen, das war mir immer klar gewesen).
»Ich rufe dich an, wenn ich zurück bin«, sagte ich. »Falls es Schwierigkeiten gibt, schicke ich ein Telegramm aus London.« Aber ich wußte, das würde ich nur im äußersten Notfall tun und mir meine Geschichte unbedingt aufheben wollen, bis ich wieder zurück war.
Mit Dorindas Mutter und Vater
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