Verschwoerung der Frauen
typischen fünf-zehnjährigen Mädchen des Jahres 1941. Im großen und ganzen fanden wir die Gedanken seiner Heldin ungeheuer langweilig, weil es, fürchte ich, einfach zu viele waren. Aber die sexuellen Erfahrungen seiner Heldin beschrieb Foxx in einer berauschenden Prosa, die ein Lesegenuß war; und an jenen Passagen hatten wir unser Entzücken.
Für mich allein hätte ich vielleicht unbeeindruckt getan, aber Dorindas Direktheit machte das unmöglich. Daher leckten wir uns die Lippen und dachten an die Freuden, die unser harrten. Unsere Phantasien hatten keinerlei Ähnlichkeit mehr mit den Träumen, zu denen Elizabeth Bowen uns inspiriert hatte.
In jenen Tagen – kaum mehr vorstellbar nach der sexuellen und all den anderen Revolutionen – gab es diese dumme und ärgerliche Redewendung über Mädchen: »süße Sechzehn und noch ungeküßt«.
Dorinda und ich rümpften die Nase, obwohl dieser Spruch auf uns beinahe zutraf: Wenn auch noch keine sechzehn und vielleicht auch nicht süß – wir hatten noch nicht »geknutscht«, wie wir es damals nannten. Das Leben bot viel zu wenig Gelegenheiten. Aber als wir, das Triumvirat, schließlich sechzehn wurden, waren wir alle drei nicht mehr ungeküßt, und im darauffolgenden Sommer an der Jersey-Küste gingen wir auf die von der USO veranstalteten Bälle und tanzten mit den Kadetten. Sexuelle Abenteuer bescherten uns diese Bälle nicht, aber wir luden die Jungen gern zum Dinner ein, jeweils drei, eine Invasion, die Dorindas Mutter gewöhnlich souverän meis-33
terte. Zu essen gab es immer genug im Haus. Wenn wir dann alle beim Dinner saßen und Dorindas Großvater irgendwann beim zweiten Gang die weißen Uniformen entdeckte, begann er, ein Matrosen-lied von Gilbert und Sullivan zu schmettern. Wir Mädchen kicherten, machten uns über die Verlegenheit der Kadetten lustig und fühlten uns als Damen von Welt.
Während der Winter in New York wohnte meine Mutter nicht im Haus der Goddards, sondern mit mir zusammen im Untergeschoß eines Privathauses zwischen der Columbus und Amsterdam Avenue
– ein Viertel, in dem damals hauptsächlich Iren wohnten. Oft wurde ich von den auf den Vordertreppen sitzenden irischen Mädchen ver-spottet, weil sie auf den ersten Blick erkannten, daß ich anders war als sie. Die Gleichgültigkeit, mit der ich dies als still zu ertragende Tatsache des Lebens hinnahm, auf die man weder äußerlich noch innerlich reagierte, verwunderte mich in späteren Jahren. Vielleicht bekümmerte mich der Spott der irischen Mädchen nicht, weil er nicht mein wahres Leben berührte, mein Leben mit Dorinda und Nellie.
In jenem Winter, dem Winter von Pearl Harbor, feierten wir in Dorindas Salon unsere ersten Parties mit Jungen. Ihre Eltern ließen uns freie Bahn; auch auf den Großvater, der den Winter über mit seiner Pflegerin in einem Hotel wohnte, brauchten wir keine Rück-sicht zu nehmen, was nicht heißen soll, das hätten wir je getan. Er war wie ein häusliches Totem, vor dem man sich verbeugte, zu dem man gebührenden Abstand hielt und das im Alltagsgetriebe mehr oder weniger unterging.
Woher kamen die Jungen? Ich kann mich kaum erinnern. In Dorindas Kreisen gab es vielerlei Wege, Bekanntschaften zu machen –
die Jungenschulen, die Söhne befreundeter Familien, Tanzschulen.
Einen der Jungen, Len, den ich früh für mich auserkor, hatte Dorinda auf einer Sommerfarm auf getan. Er arbeitete dort, um Geld fürs College zu verdienen. Erkannten Len und ich auf den ersten Blick, daß wir einer anderen Klasse angehörten? Er sollte mein erster, sü-
ßester und einziger Liebhaber sein. Ich war noch keine sechzehn, als wir uns wie die anderen auf der Couch oder auf dem Boden rekelten und knutschten und zu César Francks einziger Symphonie küßten (war es wirklich immer dieselbe Musik?).
Die Musik kam von einem Capehart, einem unglaublich eleganten Plattenspieler. Die meisten von uns besaßen Geräte, bei denen man jede Platte einzeln auflegen mußte (damals machten die Platten 34
nur 78 Umdrehungen pro Minute, und um eine ganze Symphonie zu hören, mußte man die beidseitig bespielten Platten vier- oder fünfmal wechseln). Die andern hatten bestenfalls ein Gerät, das mehrere aufeinandergestapelte Platten selbsttätig abspielte. Dieses System funktionierte so, daß der Plattenstapel zuerst auf einer Seite gespielt wurde, dann mußte der ganze Stapel herumgedreht werden, damit die Rückseite abgespielt werden konnte, eine Prozedur, bei der die Platten
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