Verschwoerung der Frauen
persönlich über etwas so Wichtiges wie die Familie Foxx zu sprechen, das wollte ich mir nicht nehmen lassen. Dorinda sah ich damals nur selten, aber ihre Familie faszinierte mich unverändert. »Wie geht es Dorinda?« fragte ich etwas beklommen. Ich hatte Schuldgefühle, weil ich ihre Mutter danach fragen mußte.
»Gut. Sie geht ganz auf in ihrem Mutterdasein.« Dorinda hatte eine so extreme Metamorphose durchlaufen wie ein Prinz, der durch einen Zauberspruch in einen Frosch verwandelt wird. Das jedenfalls war mein Lieblingsbild, wenn ich in jenen Tagen an sie dachte. In-38
zwischen hielt ich es für sehr unwahrscheinlich, daß der Frosch durch einen Kuß oder sonstwie seine frühere strahlende Gestalt zu-rückbekäme. Dorinda, die wildeste unter all den reichen, verrückten, mutigen jungen Frauen voller Sex- und Abenteuerhunger, hatte sich sozusagen an einem einzigen Tag von ihrer berauschenden, schwin-delerregenden Jugend verabschiedet und einen Chirurgen geheiratet, einen so langweiligen und aufgeblasenen Mann, daß man es nur um Dorindas willen ertrug, einen Abend mit ihm zu verbringen. Nach fünf Jahren Ehe hatte sie zwei Kinder produziert, was ich ihr ebenfalls übelnahm. Wie froh waren wir, sie, Nellie und ich, gewesen, Einzelkinder zu sein, frei von geschwisterlichen Banden; wie stolz darauf, daß wir drei einander frei gewählt hatten! Diese Chance schien Dorinda ihrem Nachwuchs verwehren zu wollen. Vielleicht, weil sie wußte, wohin es führen konnte?
»Dorinda ist wieder schwanger«, sagte ihre Mutter. »Sie würde sich bestimmt freuen, von dir zu hören.« Nachdem sie mir nochmals gedankt hatte für mein Versprechen, zu Gabrielle Foxx zu gehen, überließ sie mich meiner Suche nach einem Pyjama und passender damenhafter Garderobe.
Während ich mit der Verkäuferin verhandelte, mußte ich an Dorinda denken, die, wie Virginia Woolfs Sally Seton, nackt durch die Flure des Hauses an der New-Jersey-Küste gerannt war und die wohlanständigen Gäste ihrer Eltern provoziert hatte. Und jetzt war sie wie Sally Seton geendet, in einer langweiligen Ehe, eine Dame der Gesellschaft, mehrfache Mutter. Wo war meine Dorinda geblieben?
Obwohl wir alle drei auf verschiedene Colleges gingen, hielten wir während jener Jahre engen Kontakt. Nellie und ich studierten fleißig. Wir waren nüchterne junge Frauen und damit zufrieden, immer nur einen Freund zur gleichen Zeit zu haben. Trotzdem waren wir geradezu versessen darauf, uns durch Dorindas Berichte von ihren Abenteuern in Aufregung, Staunen und oft Schrecken versetzen zu lassen. Begonnen hatte alles damit, daß sie während eines Sommers an der Küste mit dem Chauffeur schlief. Ihre Eltern hatten ihr einen kleinen Sportwagen geschenkt – viele Gesichter aus jenen Tagen habe ich vergessen, aber bis zum heutigen Tage könnte ich jedes Detail dieses Autos wiedergeben. Es war ein graues Ford-Coupé mit zwei Vordersitzen (nur dicht zusammengequetscht war Platz für drei) und hinten einem Notsitz. Kein Auto, weder die späteren Kabrioletts noch die verschiedenen Statuswagen, die im Laufe 39
meines Lebens kamen und gingen, besaßen für mich ein Hundertstel von dem Glamour dieses kleinen Ford-Coupés.
Das Auto kam an Dorindas siebzehntem Geburtstag. (Ihr Geburtstag fiel in den Hochsommer und war immer von herrlichen Geschenken und Festen begleitet. Die Geburtstage der Menschen, die mir heute nahestehen, vergesse ich leicht, aber der 13. Juli ist noch immer ein Tag voller Verheißungen und strahlenden Glanzes für mich.) Der Chauffeur sollte Dorinda das Autofahren beibringen.
Er war ein gutaussehender junger Mann, höflich und mit guten Ma-nieren, und schien den Job aus Gesundheitsgründen oder um seine alte Mutter zu unterstützen oder aus irgendwelchen anderen noblen Motiven zu machen. Ich kann mich nicht erinnern, warum er nicht beim Militär war. Vielleicht hatte er eine geheimnisvolle tödliche Krankheit – eine Vorstellung, die ihn für uns nur noch anziehender machte.
Dorinda, die unbedingt ihre Jungfräulichkeit loswerden wollte, verführte ihn im Auto. Als sie uns davon erzählte, fürchteten Nellie und ich, der nette junge Mann würde seinen Job verlieren (diese Angst finde ich heute sehr aufschlußreich für die damalige Zeit), aber wir hätten uns keine Sorgen zu machen brauchen. Dorinda über-redete ihn, auch Nellie und mir das Autofahren beizubringen. Er benahm sich hochanständig uns gegenüber, obwohl wir beide fürchteten (und hofften?), er würde
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