Verschwoerung der Frauen
machte gelegentlich vorsichtige Andeutungen.
Eleanor und ihre Schwägerin Hilda, die Emile Foxx geheiratet hatte, kamen aus ganz verschiedenen Verhältnissen. Nur eins hatten sie gemeinsam: Beide hatten weder die Chance gehabt, ein College zu besuchen noch sich auf eine berufliche Karriere vorzubereiten, die nicht ausgesprochen weiblich war. Eleanor hatte zwischen Krankenschwester, Lehrerin oder Sekretärin wählen können, und sie entschied sich für letzteres, weil sie als älteste einer kinderreichen Familie genug vom Kinderbeaufsichtigen und -betreuen hatte. Die reiche, verwöhnte Hilda dagegen ließ es sich gutgehen, genoß all den Luxus, den der Wohlstand ihrer Familie ihr bot, und nur ihre Schönheit und Abenteuerlust, die sich unausweichlich aufs Sexuelle beschränkte, zeichneten ihr eine Lebensbahn vor. Wenn Eleanor und Hilda sich als Schwägerinnen trafen, hatten sie wenig gemeinsam –
nur den Gatten-Bruder (dessen Zuneigung zu seiner Schwester wahrscheinlich die zu seiner Frau übertraf) und den Tisch, an dem sie gelegentlich bei Familienfeierlichkeiten in dem Jersey-Haus gemeinsam saßen.
Zu dem Zeitpunkt, als ich Eleanor in der Nachthemdenabteilung traf, war Hilda bereits zwei Jahre tot. Sie war an Krebs gestorben, hatte ihr Leben auf fast tragische Weise verschwendet, war in eine Katastrophe nach der anderen gerannt, und alles nur, weil die Reichen darauf bestanden, ihre Töchter zu schönen Objekten der Begierde heranzuziehen – eigene Ziele gab es für sie nicht, und die Disziplin, sich eine Welt zu schaffen, die jenseits der materialisti-schen Orientierungen ihrer Familien lag, lernten sie nicht.
Die Mädchen wurden in eleganten Schulen erzogen, die ihnen keine eigene berufliche Karriere nahelegten. Frauen arbeiteten nur, wenn sie dazu gezwungen waren. Es war der Stolz dieser erfolgrei-42
chen Männer, daß ihre Frauen, abgesehen von Wohltätigkeitsveran-staltungen, außer Haus keinen Finger rühren mußten. Meine Mutter arbeitete, weil sie keinen Mann hatte. Mein Vater war gestorben, aber er hatte uns schon lange vor seinem Tod verlassen. Meiner Mutter wäre also ohnehin nichts anderes übriggeblieben. Wie die Töchter aus den reichen jüdischen Familien, für die meine Mutter arbeitete, hatten auch meine Tanten kein College besucht. Für Frauen wie meine Tanten und Eleanor galt das College als zu teuer und überflüssig und für Frauen wie Hilda als zu gefährlich. Für meine und Dorindas Generation war es bereits selbstverständlich, daß die Frauen der Ober- und Mittelschicht von ihren wohlhabenden Vätern aufs College geschickt wurden. Hildas Generation erfüllte mich nur mit Mitleid. Ich verstand ihre Situation und konnte mich in ihre Verzweiflung hineinversetzen. Hildas sexuelle Eskapaden währten, anders als bei Dorinda, ihr ganzes Leben lang, genau wie ihre Labili-tät und ihr Getriebensein. Es schien fast so, als fürchte sie, sich in Luft aufzulösen, wenn sie auch nur einen Moment innehielte, um sich zu fragen, was sie tat. Und als sie während des Krieges, vom Schicksal nach Europa verschlagen, schließlich doch gezwungen war, nachzudenken und ihre Lebensweise in Frage zu stellen, wurde sie verrückt. Dorindas Vater mußte sie narkotisieren lassen und unter der Obhut zweier Krankenschwestern auf einem der letzten Passa-gierschiffe, die den Ozean überquerten, nach Amerika holen.
Auf Eleanor muß Hilda wie ein Wesen einer unbekannten Spezies gewirkt haben. Aus der Zeit, als Hilda Emile noch nicht kannte und Eleanor gerade die frischgebackene Goddard-Schwiegertochter geworden war, gibt es ein Foto von beiden im Garten des New-Jersey-Hauses. Sie stehen neben dem Großvater, der den Arm um seine geliebte und schöne Tochter Hilda gelegt hat. Eleanor steht etwas abseits, sorgfältig frisiert, perfekt gekleidet und voller Anspannung. Das Foto muß ungefähr zwei Jahre vor Dorindas und Nellies Geburt aufgenommen worden sein. Dorindas Geburt war hochkompliziert; Nellie dagegen kam wie im Vorbeigehen auf die Welt. Auch ich war noch nicht geboren. Es gelang mir einfach nicht, den Schnappschuß anzusehen, ohne uns drei, Dorinda, Nellie und mich, als Ungeborene in einer über dem Bild schwebenden Luftblase dazuzudenken. Wie das Leben meiner Mutter zu jener Zeit aussah, interessierte mich nicht im geringsten.
Die Geschichte von Dorindas Geburt ist schnell erzählt. Sie wurde nach vielen bangen Monaten empfangen und unter schrecklichen 43
Wehen geboren. Als ihrem Vater, Sig, schließlich
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