Verschwoerung der Frauen
der beiden nebeneinander plaziert; jedes Porträt nahm eine ganze Seite ein, und die Gegenüberstellung ergab einen verblüffenden Effekt.
Foxx blickte triumphierend ins Kameraauge, sie wich ihm schamvoll aus. Oder war das nur Kates Interpretation? Kate hatte einmal einen Vortrag in einem Frauencollege gehalten – in einem Raum, der wie der Salon eines Privathauses eingerichtet war, aber dennoch Platz für mehrere Reihen von Klappstühlen bot. An einer Wand hingen zwei große Porträts, eins von dem Mann, der das Geld für den Saal gestif-tet hatte – welcher natürlich nach ihm benannt war-, und eins von seiner Frau, die das College besucht hatte. Während der Einleitungs-floskeln hatte Kate die beiden Bilder fasziniert betrachtet. Der Mann sah der Welt ins Gesicht – nicht arrogant, aber mit erstaunlicher Selbstsicherheit. Die Frau dagegen ließ sich ansehen. Sie trug ihr bestes Kleid, ihre Perlenkette, und ihr Haar war sorgfältig frisiert.
Einerseits schien sie bereit, sich anstarren zu lassen, andererseits sich aber den Blicken entziehen zu wollen. Er betrachtete, sie wurde betrachtet, darauf lief es hinaus.
Gabrielle schien das Angestarrtwerden ignorieren zu wollen. Sie entzog sich der Kamera und blickte aus der Szene hinaus ins Freie.
Der Fotograf hatte sich offenbar nicht mit ihrem Profil begnügen wollen und nicht nur dreiviertel ihres abgewandten Gesichts einge-13
fangen, sondern auch die Widerspiegelung ihres Gesichts im Fenster.
Das einzige, was Gabrielle von der vom Fotografen gewählten Ku-lisse wahrzunehmen bereit schien, war ihr eigenes Konterfei.
Die Fotos in Hansfords Buch waren in zwei Abschnitte eingeteilt: Im ersten, am Anfang des Buches, waren die mittlerweile bekannten zusammengefaßt – die Jugendfotos von Foxx und Gabrielle und den Orten in England, wo sie aufgewachsen waren. Der zweite, doppelt so große, Abschnitt enthielt die Fotos, die Dorinda Goddard Nicholson Hansford überlassen hatte, und zusammen machten sie eindeutig den größten Reiz dieser ansonsten wenig bemerkenswerten Biographie aus, deren Lektüre in Kates Gedächtnis wenig Spuren hinterlassen hatte.
Die Goddard-Sammlung, wie sie Kate nannte, also jene Fotos, die in dieser Ausgabe zum erstenmal erschienen, enthielt nicht nur Bilder von Emmanuel Foxx, sondern auch von seiner Frau Gabrielle, seinem Sohn Emile und seiner Schwiegertochter Hilda; außerdem fanden sich Fotos von Dorinda, Anne Gringold (deren Verbindung zu Dorinda Kate nicht kannte) und eines von Nellie, Emmanuel Foxx’ Enkelin, das kurz nach ihrer Ankunft in den Vereinigten Staaten aufgenommen war. Die mysteriöse Anne Gringold hatte ein Bild des Hauses zur Verfügung gestellt, in dem Gabrielle in den fünfziger Jahren in London gelebt hatte. Dann gab es ein Foto, das Nellie von Gabrielle gemacht hatte, und zwar lange nach Emmanuel Foxx’ Tod, als Gabrielle schon in London lebte. Auf diesem Foto war Gabrielle älter, blickte aber direkt in die Kamera, als wolle sie sagen: »Ja, seht her. Hier bin ich.« Ferner gab es eine Aufnahme von Gabrielle und Nellie, die Nellie offensichtlich mit einer jener Selbstauslöse-Kameras aufgenommen hatte, die man aufstellen kann und die es dem Fotografen erlauben, sich mit triumphierendem Lächeln gerade noch rechtzeitig in das Foto zu schleichen. Diese beiden Fotos waren offensichtlich von Dorinda später an Mark Hansford übergeben worden.
Gab es ein echtes Interesse an einer Biographie Gabrielles – war sie mehr als nur eine Fußnote zum Leben und Werk des großen Meisters der Moderne? In den letzten Jahren zeigten Verleger und Leser gleichermaßen ein wachsendes Interesse an Frauenbiogra-phien, aber war das Grund genug? Oder genauer: Konnte das für Kate ein Grund sein? Sie betrachtete eine Weile die Porträts von Foxx und Gabrielle, dann begann sie, das Buch noch einmal zu lesen.
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Ihr das Buch mitzugeben, war sehr klug gewesen von Simon Pearlstine, denn es schrie förmlich nach mehr Informationen über Gabrielle. Woher, so schien Hansford ständig zu fragen, hatte Foxx sein Wissen um weibliche Gefühle und Sehnsüchte? Hatte er Gabrielle gefragt, sie vielleicht sogar gebeten, ihre Erfahrungen niederzuschreiben? Geradezu wie ein Wink mit dem Zaunpfahl mutete Hansfords Bemerkung an, daß Colette von ihrem Mann eingeschlossen und gezwungen worden war, von ihrer Schulzeit zu berichten, inklusive aller sexuellen Abenteuer und Experimente. Andere Männer hatten versucht, die Psyche einer Frau darzustellen:
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