Verschwoerung der Frauen
Nachweis ihrer Identität.
»Man könnte fast glauben, ich hätte die Kronjuwelen dort deponiert«, sagte Anne. »Gabrielles Papiere sind mir, und vielleicht sogar der Welt, zwar viel wert, aber dieser Mann gibt einem das Gefühl, man rücke am besten mit einem bewaffneten Leibwächter an. Nun, Sie kommen ja mit.«
Am nächsten Morgen spazierten sie zur Archway Road und nahmen den Bus nach London. Auf Kates Wunsch kletterten sie aufs Oberdeck (Rauchen erlaubt) und betrachteten die vorüberziehenden Häuser und Straßen, zuerst die von Kentish Town, dann von Camden Town. In der Nähe der Charing Cross Road stiegen sie aus und gingen zur Oxford Street, wo sie bei Marks and Spencer zwei Tragetü-
ten erstanden, die Annes Meinung nach ausreichten, alle Papiere zu verstauen.
»Vielleicht sollten wir lieber noch eine dritte kaufen – für alle Fälle«, sagte Kate, die sich plötzlich Sorgen machte, daß sie womöglich nicht alle Papiere auf einmal mitnehmen konnten oder sie so eng zusammenpressen mußten, daß sie zerknitterten oder sonstwie zu Schaden kamen.
Kate konnte einfach nicht das Gefühl abschütteln, in irgendeinen Geheimplan verwickelt zu sein, ein Tarnmanöver, das den Feind täuschen sollte, egal, wer dieser Feind auch sein mochte. Wirklich, dachte Kate, während sie die Tüten bezahlte und mit Anne das Kaufhaus verließ, zwei weniger verdächtige Individuen fand man wohl auf der ganzen Welt nicht, und wenn man mit Volldampf vierzehn Tage lang suchte.
Kate hatte das Gefühl, die Bankleute guckten recht mißtrauisch, 146
als sie mit den großen, leeren Taschen bewaffnet den Schalterraum betraten. Aber Anne, die jetzt ganz die Geschäftsfrau hervorkehrte, fragte nach dem Herrn, mit dem sie gestern gesprochen hatte und setzte sich in einen Sessel, um auf ihn zu warten. Kate überlegte, ob ihr die Aufregung auch so ins Gesicht geschrieben stand wie Anne.
Wahrscheinlich. Und das war nur natürlich. Wie sollte man nicht aufgeregt sein, wenn man etwas, das vor so vielen Jahren unter dra-matischen Umständen in der Versenkung verschwunden war, wieder ans Tageslicht beförderte? In ihrem Memoir hatte Anne geschrieben, sie habe sich damals gefühlt, als säße ihr die Gestapo im Nacken.
Vielleicht, dachte Kate, ist unsere Welt eben so eingerichtet, daß man sich bei der kleinsten, nicht ganz alltäglichen Aktion gleich wie ein Spion fühlt. Aber Spionieren implizierte Verrat, und hier ging es nicht um Verrat. Oder vielleicht doch? War das des Pudels Kern: Der Verrat an Gabrielle, die jetzt rehabilitiert werden mußte – nicht als Name, sondern als sie selbst, als eigenständige Person, nicht nur die Frau eines berühmten Schriftstellers?
Sie mußten nicht lange warten. Der Geschäftsführer, vielleicht war es auch nur der für die Safes verantwortliche Angestellte, führte sie in sein Büro, überprüfte penibel Annes Dokumente und Identitätsnachweise und schickte sich dann an, sie hinunter in den Safebe-reich zu führen, aber erst, nachdem er Anne gründlich in Augen-schein genommen und offenkundig für glaubwürdig befunden hatte.
Eine etwa sechzig)ährige Frau mußte die sein, die sie vorgab zu sein.
Zwar konnte sich natürlich eine Sechzigjährige die Identität einer anderen Sechzigjährigen zulegen, aber das erforderte eine solche Sammlung falscher Dokumente, die dieser Mann Anne nicht zuzu-trauen schien. Warum denke ich dauernd an Betrug, fragte sich Kate.
Das Ganze ist doch eine völlig klare Angelegenheit. Entweder sind die Papiere wunderbar oder die totale Enttäuschung – das eine oder das andere, und damit fertig.
Der Safe war groß, so, wie Anne ihn beschrieben hatte. Es mußte eine Menge gekostet haben, ihn all die Jahre zu mieten, und Kate fragte sich, ob Gabrielle daran einen Gedanken verschwendet hatte.
Vielleicht hatte sie nicht erwartet, daß ihre Papiere so lange ein so teures Quartier beziehen würden.
»Eigentlich wundere ich mich, daß Sie sich nicht schon viel frü-
her entschlossen haben, sie herauszuholen«, sagte Kate zu Anne, während sie abwarteten, daß der Mann die endlose Prozedur mit Schlüsseln und Formularen hinter sich brachte.
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»Ich wollte mit all dem einfach nichts mehr zu tun haben und ein neues Leben beginnen, ein Leben, in dem weder Dorinda noch ihre Verwandten, berühmte oder nicht, eine Rolle spielten. Nachdem ich die Bank verlassen und erfahren hatte, daß Gabrielle ins Krankenhaus gebracht worden war, schickte ich Eleanor ein Telegramm und sackte
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