Verschwoerung der Frauen
alles losgeworden war und verkündet hatte, ihr Gepäck sei schon im Auto verstaut, setzte sie rückwärts aus der winzigen Garage und brauste davon.
»Als ich das letzte Mal hier war«, sagte Anne, während sie im Eßzimmer standen, den Garten bewunderten und von allem noch völlig überwältigt waren, »gab es im Viertel eine Geburtstagsfeier für die Königinmutter. Der Strom kam von diesem Haus, und es war wirklich herrlich, wie sie gefeiert haben, so übergeschnappt wie bei uns in Amerika, mit bunten Lichterketten und allem. Ich glaube, sie spielten sogar Rock ’n’ Roll, jedenfalls eine sehr laute Musik, denn Lavinia, meine Freundin, steckte sich Watte in die Ohren. Mit der heutigen Popmusik kenne ich mich nicht gut aus. Ich nehme an, Sie auch nicht.«
»Allerdings nicht«, sagte Kate. »Wenn man ohne Kinder alt wird, geht die ganze Popmusik leicht an einem vorbei, und erst recht der Wechsel von einer Mode zur anderen. Wenn ich etwas vor mich hinsumme, dann die Beatles oder Simon and Garfunkel aus jener Zeit, als ich die Popmusik noch wahrnahm. Wollen wir gleich losge-hen und die Papiere holen? Statt mich so versessen aufzuführen, sollte ich wohl lieber eine Miene ruhiger Gelassenheit zur Schau 144
stellen, aber das übersteigt meine Kräfte. Ich kann es kaum erwarten.«
»Ich rufe die Bank gleich an«, sagte Anne. »Unseren Besuch ha-be ich ja schon schriftlich angekündigt. Wir müssen aber ein paar Tragetüten besorgen, um die Papiere zu transportieren. Sie wissen ja, daß ich Gabrielles Taschen aufgehoben und mit nach Amerika genommen habe, aber sie wieder über den Ozean zurückzuschleppen, erschien mir doch etwas pervers. Außerdem sind sie Jahrzehnte alt, fast schon ein halbes Jahrhundert, und hätten leicht im ungünstigsten Moment zerreißen können. Möchten Sie lieber im oberen Stockwerk schlafen oder unten?«
Kate entschied sich für oben, weil ihr das erst so richtig das Ge-fühl gab, ein ganzes Haus zu bewohnen, wozu sie nicht oft Gelegenheit hatte. Sie erwähnte es Anne gegenüber.
»Ich träume oft von einem eigenen Häuschen«, sagte Anne.
»Keins wie dieses hier, sondern mit mehr Land drumherum und irgendwo sehr abgelegen. Aber ich weiß ganz genau, wenn der Spaß des Einrichtens vorüber wäre, würde ich schon nach einem Monat umkommen vor Einsamkeit. Vielleicht hat auch Gabrielle von einem Haus auf dem Lande geträumt, als sie nach England zurückkehrte, aber wohl bald eingesehen, wie falsch eine solche Entscheidung wäre und sich statt dessen Zimmer in Kensington genommen. Gehö-
ren Sie etwa zu den höchst seltenen Menschen, die nicht davon träumen, sich aufs Land zurückzuziehen?«
»Ja, ich bin ein Stadtmensch. Aber dieses Haus scheint die Vorteile beider Welten zu bieten, besonders wenn man Gartenarbeit mag. Ich fürchte, ich kann nur eine Rose von einem Stiefmütterchen unterscheiden. Werden wir viel im Garten zu tun haben?«
»Nein, zu dieser Jahreszeit nicht. Und was zu tun ist, mache ich.
Sie dürfen sich darauf konzentrieren, Restaurants ausfindig zu machen, in denen wir schlemmen können.«
»Haben Sie immer in Restaurants gegessen, als Sie das letzte Mal hier waren?«
»Nein, aber damals war Lavinia hier, die erstens Vegetarierin ist und zweitens sehr bescheidene Essensgewohnheiten hat. Ich bin hin und wieder in die unglaubliche Lebensmittelabteilung von Selfridges gegangen und habe Käse und andere Leckereien besorgt, die aßen wir dann zusammen mit Brot und Crackern hier aus der Gegend.
Lavinia macht sogar ihren eigenen Wein, der ganz köstlich ist.«
»Nun, dann lassen Sie es uns doch auch so machen. Keine auf-145
wendigen Restaurantessen, sondern nur Snacks in Pubs«, sagte Kate.
»Pubs zum Mittagessen und Käse zum Abendessen, damit sind wir doch gut versorgt. Aber jetzt rufen Sie bitte die Bank an, ehe sie schließt. Ich packe derweil aus.« Kate schnappte ihren Koffer und stapfte glücklich die Treppe hinauf in ihr Zimmer. Anne setzte sich ans Telefon und hörte sie herumlaufen und Entzückensschreie von sich geben.
Als sie den zuständigen Menschen in der Bank erreicht hatte, einen sehr würdevoll klingenden Herrn, informierte der sie, daß sie morgen kommen könne, um ihre Habe aus dem Safe zu holen. Identitätsdokumente mit Foto seien bitte mitzubringen, und man möge sich am besten an ihn persönlich wenden. Begrüßenswert sei es auch, wenn sie einige alte Quittungen für die Safegebühren vorlegen könn-te, sozusagen als zusätzlichen
Weitere Kostenlose Bücher