Verschwoerung der Frauen
die sich eine lange und mühsame Aufgabe gestellt und gleichzeitig noch Zweifel haben, ob sich die ganze Anstrengung überhaupt lohnt. Aber nach einer Woche hartnäckiger Arbeit, ignoriertem Mittagessen und abendli-chem Imbiß im Pub – inzwischen waren beide außerstande, je wieder ein »Ei im Schlafrock« anzurühren –, hatten sie die erste Etappe überstanden. Vor ihnen auf dem Wohnzimmerboden lagen nun endlich – nach beider bestem Wissen und Gewissen geordnet – Gabrielles verehrungswürdige Schriften. Die einzige Energie, die es jetzt noch zu mobilisieren galt, war die, sie zu lesen.
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»L esen Sie das Ganze allein durch«, sagte Anne. »Schließlich sind Sie diejenige, die es herausgeben muß.«
Es war der Morgen, nachdem sie die letzte Seite einem Kapitel zugeordnet und die Kapitel in eine Reihenfolge gebracht hatten, die ihnen plausibel erschien. Nichts war sicher, aber Kate fühlte sich zuversichtlich, daß sie Gabrielles Roman so gut wie möglich rekonstruiert hatten. Denn es war in der Tat ein Roman.
»Ich könnte Ihnen Kapitel für Kapitel vorlesen«, schlug Kate vor,
»und dann könnten wir beide entscheiden, ob wir die Geschichte zusammenhängend finden oder nicht. Oder Sie lesen mir vor. Natürlich können wir uns auch abwechselnd vorlesen.«
»Mir wär’s lieber, Sie machen das allein«, sagte Anne und starrte in den Garten. »Vorausgesetzt natürlich, daß Sie wirklich entschlossen sind, die Herausgabe zu übernehmen und das biographische Porträt zu schreiben. Es kommt Ihnen bestimmt eigenartig vor, daß ich nach all der Arbeit und Mühe nicht neugieriger bin, aber ich habe das starke Bedürfnis, das Ganze nun Ihnen zu überlassen. Ich freue mich darauf, das Buch zu lesen, wenn es erscheint, aber vorerst möchte ich nichts mehr damit zu tun haben. Wenn ich es wissen wollte, könnte mir ein Psychologe wahrscheinlich ganz genau erklä-
ren, warum das so ist.
Aber ich will’s nicht wissen. Ich hoffe nur, daß Sie jetzt nicht beleidigt sind.«
»Keine Spur«, sagte Kate. Seltsam, aber sie verstand Annes Ge-fühle, auch wenn sie sie genausowenig erklären konnte wie Anne selbst. »Aber ehe ich mit dem Manuskript nach Hause fliege und Sie in diesem hübschen Haus Ferien machen lasse, gibt es noch eine Sache, bei der ich Ihre Hilfe brauche.« Die Katze saß vor der Terrassentür und blinzelte in die Sonne, und in der Luft lag das Versprechen herrlicher Zeiten ohne das Hinundherschieben von Papieren.
»Bei welcher Sache?«
»Wir müssen Kopien machen«, sagte Kate und klopfte auf den Stapel neben sich. »Die Vorstellung, das Ganze zu verlieren, oder noch schlimmer, noch einmal von vorn sortieren zu müssen, ist zuviel für mich.«
»Wahrscheinlich haben die Engländer Kopierläden, genau wie wir.«
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»Wahrscheinlich. Aber dort können wir nicht hin. Wir müssen die Kopien selbst machen.«
»Haben Sie vor, sich einen Kopierer zu kaufen und ihn Lavinia als Gastgeschenk zu hinterlassen?«
»Wenn wir keine andere Lösung finden, ja. Aber ich dachte eher daran, Reed zu bitten, daß er ein Anwaltsbüro in London ausfindig macht, dessen Kopierer wir Samstag oder Sonntag benutzen können.
Ich hatte auch erwogen, Simon Pearlstine zu bitten, daß er einen Verleger oder Agenten bewegt, uns diesen Gefallen zu tun, aber ich habe keine Lust, Simon transatlantisch zu erklären, was ich kopieren will und was von seinem geliebten Plan einer Biographie übriggeblieben ist. Derlei Dinge sind von Angesicht zu Angesicht und mit dem Material vor Augen besser zu verhandeln. Werden Sie mir beim Kopieren helfen?«
»Mir fällt keine Ausrede ein. Hätte ich eine, würde ich ablehnen.
Wie viele Kopien wollen Sie machen, und was gedenken Sie damit zu tun?«
»Ich habe mir schon gedacht, daß Sie Gabrielles Papiere im Augenblick lieber nicht auf dem Hals haben, nicht einmal in Fotokopie.
Ich weiß nicht warum, habe aber das Gefühl, Ihre Entscheidung ist richtig. Also werde ich eine Kopie an mich nehmen, eine an meine New Yorker Adresse schicken und eine dritte an eine noch zu be-stimmende Adresse in New York. Das Original wird entweder hier bei einem Anwaltsbüro oder wiederum einer Bank hinterlegt, je nachdem, was Reed mir rät. Im Augenblick bin ich für Ratschläge sehr empfänglich, wie Sie sehen, und ich verdopple meine Sicher-heitsvorkehrungen, um selbst die böswilligsten Absichten eines übelmeinenden Schicksals zu überlisten. Außerdem wird Reed mir gewiß zustimmen, daß das
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