Verschwörung der Sieben
Versuchung nachzugeben, an seinen Händen zu schnüffeln, ob sich dort der typische Geruch von Marihuana festgesetzt hatte, und auch nicht den Inhalt der zahllosen Taschen seiner schwarzen Lederjacke zu durchwühlen.
»Wie steht's mit den Hausarbeiten?« erkundigte sie sich bei dem Jungen, der vor dem riesigen Bildschirm des Mitsubishi-Fernsehgeräts hockte.
»Erledigt«, erwiderte er.
»Und das Abendessen?«
»Auch.«
»Kannst du vielleicht mal eine Frage mit mehr als einem Wort beantworten?«
»Nein«, sagte er mit einem leichten Grinsen, während es in seinen Augen funkelte, als er kurz zu ihr hinüberschaute.
»Aber du könntest mich fragen, wie mein Tag verlaufen ist.«
»Ja«, meinte er, immer noch grinsend.
»Ach, mach doch, was du willst.«
Sein knapp zwölf Jahre altes Gesicht veränderte sich, wurde sanfter, und er sah zu ihr, als würde das Fernsehgerät plötzlich nicht mehr existieren. »Ich brauche einen neuen Computer.«
»Tatsächlich?«
»Den neuen Mac. Mit Farbmonitor. Und Sprachausgabe.«
»Ich hoffe, er schafft mehr als nur ein Wort.«
»Ich meine es ernst.«
»Und du sprichst plötzlich in ganzen Sätzen …«
»Mom!« Taylor ließ den Arm in gespielter Verzweiflung auf das Sofa klatschen.
»Hoppla. Jetzt sind wir wieder bei einem Wort gelandet.«
Karen ging hinaus, um Brandon bei seinen Schulaufgaben zu helfen. Irgendwie war es wichtig für sie, das Wohnzimmer zu verlassen, zwar nicht als Siegerin, aber zumindest auch nicht als Verliererin. Sie war entschlossen, alles zu tun, damit Taylor nicht zu einem Ebenbild seines Vaters heranwuchs, auch wenn sie sich nicht ganz sicher war, was ›alles‹ eigentlich bedeuten sollte. Was sie tun konnte, war, ihm zu vertrauen, obwohl sie zunächst einmal damit anfangen mußte, sich selbst zu trauen.
Brandon mochte es immer noch, wenn man ihm vorlas, und irgendwann döste Karen erschöpft auf seinem Bett ein, getragen von den Tönen der Heavy-Metal-Musik, die leise aus Taylors Zimmer drang. Plötzlich schreckte sie mit dem Gefühl hoch, aus einem Alptraum zu erwachen. Mit heftig klopfendem Herzen und angehaltenem Atem richtete sie sich auf.
Langsam ließ sie sich aus dem Bett gleiten. Irgend etwas hatte sie aufgeweckt, ein Geräusch, oder eine Stimme. Taylor möglicherweise, der versuchte, sich aus dem Haus zu schleichen, um sich mit seinen Freunden zu treffen. Karen ging zu Brandons Fenster hinüber, aus dem man den Vorgarten überblicken konnte.
Die beiden Lampen, die normalerweise die ganze Nacht hindurch den Rasen erleuchteten, brannten nicht. Sie hatten keine Schalter, sondern wurden über Fotozellen gesteuert, die sie automatisch einschalteten, sobald die Dämmerung hereinbrach. Außerdem, dachte Karen, hatte sich Taylor bisher noch nie nachts aus dem Haus geschlichen.
Es war ein Geräusch gewesen, das sie aufgeweckt hatte.
Ein Schlag, hell und leise klirrend. Wie zerbrechendes Glas.
Karen drückte sich mit klopfendem Herzen dichter an das Fenster. Die Lampen draußen waren zu weit entfernt, um sie deutlich erkennen zu können, zu weit, um …
Etwas bewegte sich über den Rasen, ein Schatten, der sich kaum von dem dunklen Hintergrund abhob.
Karen bemühte sich angestrengt, etwas zu erkennen, doch die Dunkelheit gab ihre Geheimnisse nicht preis. Vielleicht war dort wirklich etwas gewesen; vielleicht aber auch nicht.
Sie zog sich vorsichtig vom Fenster zurück und bewegte sich zur Tür. Inzwischen war sie hellwach, und das Adrenalin pulsierte durch ihre Adern. Sie schlich den Flur entlang in ihr Schlafzimmer, wo auf dem Nachttisch gleich neben dem Telefon eine einzelne Lampe brannte. Karen drückte den Hörer ans Ohr und streckte die Finger aus, um die Notrufnummer 911 zu wählen.
Es kam kein Freizeichen.
Das Telefon war tot.
Kapitel 4
Karen drückte ein paarmal auf die Gabel, doch ohne Ergebnis. Nur Stille drang aus dem Hörer.
Zum Glück bot ihr das ausgefeilte Alarmsystem des Hauses eine Ausweichmöglichkeit, und so eilte sie zu dem Kontrollpaneel an der Wand gleich draußen neben ihrer Schlafzimmertür. Wenn man die beiden Knöpfe in den unteren Ecken drückte, wurde ein Signal ausgelöst, das die Polizei in weniger als drei Minuten alarmierte. Und im Gegensatz zu älteren Anlagen verfügte ihr Alarmsystem über eine eigene Energieversorgung und einen kleinen Radiosender, der sicherstellte, daß das Signal auch dann hinausging, wenn die Telefonleitung unterbrochen war. Karen legte ihr Finger auf die beiden Knöpfe und
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