Verschwörung der Sieben
an. Er stellte gewissermaßen eine Antithese zu ihr dar und erweckte einen Teil von ihr zu neuem Leben, dessen Existenz sie schon längst vergessen hatte.
Karen verliebte sich bis über beide Ohren.
Ihre Arbeit und die angestrebte Karriere verlor sie deswegen nicht aus dem Blick, doch sie nahm daneben nun auch andere Dinge wahr. Als Tom ein Jahr vor ihr sein Studium beendete, willigte sie ein, mit ihm nach Kalifornien zu ziehen und schrieb sich dort an der UCLA ein. Das Lehrangebot war zwar nicht mit dem an der Columbia zu vergleichen, erwies sich aber als zumindest ausreichend. Außerdem verdiente Tom als freier Autor nicht schlecht. Er verkaufte einige Drehbuchentwürfe und schrieb ein paar Folgen für Fernsehserien. Daneben bemühte er sich vor allem, die richtigen Kontakte zu knüpfen, wichtige Leute kennenzulernen. Sie lebten recht spartanisch in einem hübschen Studioapartment in Westwood, und sonntags spazierten sie mitunter durch Beverly Hills und überlegten, welches der Häuser sie sich eines Tages kaufen würden. Sechs Monate, nachdem sie zusammengezogen waren, heirateten sie. Daß sie irgendwann groß herauskommen und es bis an die Spitze schaffen würden, schien nur noch eine Frage der Zeit zu sein. Und Karen glaubte, die Periode ständiger Kämpfe neige sich langsam ihrem Ende zu.
Statt dessen standen ihr die schlimmsten Kämpfe erst bevor. Nicht lange nach ihrer Hochzeit kehrte sie eines Tages nach Hause zurück und fand Tom, der mit einer fast leeren Flasche Jack Daniel's zwischen den Knien mitten auf dem Boden des Wohnzimmers hockte. Karen kam gerade vom Arzt, der ihr eröffnet hatte, daß sie schwanger war, und sie dachte daran, ihr Studium für eine Weile ruhen zu lassen. Das Timing hätte wirklich kaum besser sein können.
Oder schlimmer, wenn man es genau betrachtete.
Die Wahrheit kam ans Licht, während Tom auf dem Wohnzimmerteppich hockte. Er hatte nicht ein einziges Script verkauft oder auch nur einen einzigen Dollar verdient, seit sie nach Hollywood gezogen waren. All seine Erfolge waren nichts als Angebereien und Lügen gewesen. Das Geld, das er heimgebracht hatte, stammte aus einem Treuhandfonds, den ihm seine Großeltern hinterlassen hatten. Seine Eltern waren keineswegs tot, wie er einmal unter Tränen erzählt hatte, sondern hatten ihn schon vor Jahren rausgeworfen und jeden Kontakt zu ihm abgebrochen. Der Treuhandfonds hatte ihm das Studium ermöglicht und den ehrlichen Versuch finanziert, sich als Autor zu etablieren. Doch jetzt war der Fonds erschöpft und alles Geld ausgegeben.
Rückblickend betrachtet, hätte Karen die ganze Geschichte hier und jetzt beenden sollen. Doch es gab immer noch das Baby, und nicht zu vergessen auch ihre eigenen romantischen Vorstellungen. So redete sie sich selbst ein, Tom Mitchell sei trotz all der Lügen und Unwahrheiten immer noch der Mann, den sie liebte und geheiratet hatte. Ihr Verlangen nach Zuneigung, verbunden mit der Angst, wieder in ein Leben voller Einsamkeit zurückgeworfen zu werden, verführten sie zu dem Glauben, sie könnte ihre Beziehung noch retten. Im nächsten Jahr würde sie ihre Doktorarbeit beenden und dann eine möglicherweise recht lukrative Karriere starten. Falls Tom in der Zwischenzeit irgendeine Arbeit fand, könnten sie es schaffen.
Es war ein guter Plan, doch leider von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Zum einen zwang sie die nicht eben glatt verlaufende Schwangerschaft, ihre Arbeit für die Hochschule immer wieder aufzuschieben. Zum anderen hatte sie nicht erkannt, wie tiefgreifend die Probleme ihres Ehemanns wirklich waren. Die Lügen gingen weiter. Tom war nicht in der Lage, einen Job länger als einen Monat zu behalten, und jedesmal, wenn er gefeuert worden war oder gekündigt hatte, versank er wieder im Alkohol.
Karen wechselte zur University of California in San Diego, und sie zogen in Richtung Süden, zuerst in ein heruntergekommenes Apartment und später in eine Wohnwagensiedlung in Sanpee, wo ihre nächsten Nachbarn Mitglieder einer Motorradgang mit dem Namen die Skulls waren. Tag und Nacht hörten sie donnernde Rockmusik, nur unterbrochen vom alptraumhaften Dröhnen hochdrehender Chopper, die immerzu anrollten oder abfuhren. Taylor, Karens erster Sohn, wurde im Frühjahr geboren, und acht Monate später war sie dank eines defekten Diaphragmas erneut schwanger.
Und wieder kam Karen ihr Verhalten im Rückblick unerklärlich dumm vor. Weshalb hatte sie es nur so lange bei Tom Mitchell ausgehalten, obwohl
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