Verschwörung der Sieben
einen kleinen Wichtigtuer verlieren sollte, der sich selbst Tumbler nannte. Der Tumbler erwischte ihn versehentlich in der Leistengegend, und als das Publikum daraufhin losjohlte, trat er noch einmal unter die Gürtellinie, diesmal mit Absicht. Sobald T.J. wieder Luft bekam, nahm er den Tumbler auseinander. Wortwörtlich. Er renkte ihm beide Schultern aus, gestaltete seine Nase neu und sorgte dafür, daß er eine Handvoll Zähne ausspucken konnte, als er schließlich auf der Matte landete. Dann verließ er den Ring, ohne dem Kerl noch einen weiteren Blick zu schenken. Ob er ausgezählt wurde oder nicht, spielte im Grunde auch keine Rolle mehr.
T.J. und die anderen Skulls unter der Führung ihres hinkenden, alterslos wirkenden Gründers Papa Jack adoptierten Karen und die Kinder. Nach einigem Zögern stimmte sie zu, daß sich ein paar der Frauen, die mit der Gang herumfuhren, um die Kinder kümmerten, so daß ihr mehr Zeit für das Studium blieb. So schaffte sie es schließlich, ihre Doktorarbeit zu beenden, und bekam, dank Alexander MacFarlane, eine gute Stelle bei Jardine-Marra. Die Skulls stellten nie irgendwelche Forderungen an sie und weigerten sich auch, eine Entschädigung in irgendeiner Form anzunehmen, als sie anfing, richtig Geld zu verdienen.
Der Tag, an dem sie den Wohnwagenplatz in Sanpee verließ, um ihre erste richtige Wohnung zu beziehen, war einer der traurigsten in ihrem ganzen Leben. Sie wäre noch länger geblieben, doch Taylor war mittlerweile alt genug, um die Vorschule zu besuchen, und in der Nähe gab es keine Schule, die ihren Vorstellungen entsprochen hätte. Natürlich boten ihr die Skulls auch jetzt wieder ihre Unterstützung an, doch die Vorstellung, daß ihre Jungs auf dem Rücksitz einer Harley zur Schule fuhren, war selbst für sie etwas zuviel.
Eine Zeitlang hielt sie regelmäßigen Kontakt zu T.J. und den anderen, doch später sahen sie sich höchstens noch einmal im Jahr. Seit ihre Arbeit an Lot 35 Ergebnisse zeigte, blieb ihr kaum Zeit, an etwas anderes zu denken. Trotzdem war ihr irgendwie wohler gewesen, als sie ihre Jungs noch in der Obhut von in Leder gekleideten Biker-Mamas gewußt hatte, statt in der schier endlosen Reihe von Tagesstätten und Babysittern.
Die Babysitterin, die sie in diesem Monat beschäftigte, machte sich praktisch im gleichen Moment auf den Weg, als Karen ihr Haus im Nordwesten von Del Mar betrat, einer aus teuren Häusern bestehenden Wohnsiedlung, deren Privatstraßen sich westlich vom Freeway hinzogen. Die angenehme, kaum fünf Meilen lange Strecke bis zu ihrem Arbeitsplatz in Torrey Pines war kein Vergleich zu den entnervenden Fahrten über verstopfte Highways und unfallträchtige Zubringer, die sie auf dem Weg von Sanpee bis zur Universität von San Diego regelmäßig hinter sich gebracht hatte. Und doch, und doch …
»Mami!«
Die Umarmung des zehnjährigen Brandon war so stürmisch wie immer, doch die Tage, an denen sie Taylor ähnlich herzlich begrüßte, wurden immer seltener. Er war jetzt fast zwölf, und das Umarmen der Mutter zählte zu den Dingen, die man in diesem Alter langsam ablegte. An sich wäre das gar nicht mal so schlimm gewesen, hätte er seinem Vater nur nicht so ähnlich gesehen. Er besaß Toms dunkle Augen und auch dessen weiche Gesichtszüge. Jedesmal, wenn sie ihn in letzter Zeit anschaute, sah sie seinen Vater und empfand wieder die gleiche Verletzlichkeit, die er in ihr hervorgerufen hatte. Taylor wußte, wie er sie um den Finger wickeln konnte, genau wie sein Vater, und schaffte es so immer wieder, seinen Willen durchzusetzen.
Mein Gott, was habe ich Tom alles durchgehen lassen!
Im Grunde ändern sich Menschen nicht wirklich, dachte sie. Sie hatte sich nicht verändert, und Tom mit Sicherheit auch nicht. Seit zehn Jahren wurde sie von der Vorstellung geplagt, er könnte eines Tages wieder bei ihr auftauchen und sie besäße nicht den Mut, ihn hinauszuwerfen.
Und diesmal war T.J. nicht in der Nähe, um ihr zu Hilfe zu kommen.
Verschwinde … Und halt dich nicht erst mit Packen auf.
Manchmal fragte sie sich, ob es mit Taylor eines Tages genauso kommen würde. Sie billigte weder seine Freunde noch seine Kleidung oder sein lockiges, schwarzes Haar, das er nach Art eines Rockstars wachsen ließ. Allerdings war sie in den letzten Monaten zu selten hiergewesen, um ihrem Mißfallen Ausdruck zu verleihen. Wenn sie unter diesen Umständen fair sein wollte, mußte sie ihm vertrauen. Und Vertrauen bedeutete, nicht der
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