Verschwörung der Sieben
beiden Händen und hinderte sie so daran, auf dem Boden aufzuschlagen.
»Du möchtest aufgeben. So viele von uns haben diesen Wunsch schon verspürt, und manchmal wehren wir uns nicht mehr gegen ihn. Wir fallen in das Grab, das wir uns selbst geschaufelt haben, und hoffen, daß uns jemand wieder herauszieht. Doch letzten Endes bleibt diese Aufgabe uns selbst überlassen, und wenn wir dabei versagen, sinken wir immer tiefer, bis wir eines Tages nicht einmal mehr die Oberfläche sehen. Kannst du die Oberfläche jetzt sehen, Schwester?«
Die Lippen der Frau zitterten.
»Kannst du die Oberfläche sehen?«
»Nein. Gott möge mir vergeben, nein.«
»Schließe deine Augen, Schwester. Schließe deine Augen, und lasse dich von deinem Geist zurücktragen in jene Zeit, als du diese Oberfläche noch gesehen hast. Schau auf die Jahre, in denen du noch dachtest, du könntest glücklich werden. Wenn du dich nicht selbst betrogen hättest, wärest du nicht gefallen. Kannst du den Tag deiner Hochzeit sehen, den Tag, an dem dein Kind geboren wurde …?«
Aus dem Heulen der Frau waren Freudentränen geworden, und ein strahlendes Lächeln breitete sich über ihr Gesicht aus. »Ja! Ja! Gelobt sei der Herr, ja!«
»Lobe nicht den Herrn, Schwester. Lobe dich selbst. Sieh, wie du damals warst, und verwandle dich wieder in jene Person zurück. Steig zurück an die Oberfläche.«
Das Lächeln der Frau verblaßte, der Schmerz kehrte zurück. »Ich … ich … kann nicht!«
»Du kannst!«
»Ich kann sie nicht erreichen.«
»Dann ziehe ich dich hinauf. Leg deine Hände in meine, und ich ziehe dich hoch.«
»Ja … ja …«
»Gib mir auch die andere Hand. Leg sie in meine!«
Die Finger der Frau griffen ziellos in die Luft, bis sie schließlich Schwester Barbaras Hand streiften. Schwester Barbara griff danach und spürte, wie sich die Finger der Frau mit den ihren verhakten.
»Jetzt benutze mich, um dich selbst hinaufzuziehen.«
»Ich bin zu schwach!«
»Das bist du nicht!«
»Zieh!« intonierte der Chor, dessen Mitglieder sich erhoben hatten. »Zieh!«
Die Frau schien die Stimmen zu hören. Sie richtete sich auf und versuchte sich hochzuziehen.
»Genau so«, drängte Schwester Barbara. »Streng dich jetzt noch etwas mehr an. Komm schon.«
Und als die Frau gehorchte, zog Schwester Barbara sie mit einer unglaublich raschen und kraftvollen Bewegung auf die Bühne hinauf, ohne dabei auch nur das geringste Zeichen von Anstrengung zu zeigen. Ein verwundertes Raunen ging angesichts dieses offensichtlich ohne jede Mühe vollbrachten Kunststücks durch die Menge. Die ungepflegte Frau stand jetzt zitternd neben Schwester Barbara. Das zerknitterte Kleid klebte an ihrem Körper, und der Saum war verrutscht.
»Danke«, schluchzte sie, während ihr die Tränen über die Wangen liefen. »Gelobt sei der Herr, danke.«
Schwester Barbara hielt noch immer ihre Hände, wenn auch nicht mehr so fest wie vorhin. »Du weißt, was du jetzt tun mußt, nicht wahr? Du weißt, was du tun mußt, wenn dein Sohn jemals zurückkehren soll?«
»Ich habe es gesehen.«
»Dann verliere diesen Augenblick nicht wieder, Schwester. Verliere ihn nicht, so wie du die Hoffnung verloren hast, denn dieser Augenblick bedeutet neue Hoffnung – er ist die Hoffnung.«
Die Frau sank gegen sie, und Schwester Barbara ließ sie sanft auf den Boden gleiten.
»Der Dämon dieser Frau ist ausgetrieben worden«, wandte sie sich an die Menge. »Doch einige unserer Dämonen sind stärker. Die Dämonen der Krankheit, des Versagens, der Schuld, der versäumten Möglichkeiten. Und dennoch sind es nur Dämonen, und wenn wir die Hoffnung annehmen, erhalten wir eine Waffe, durch die wir sie für alle Zeiten besiegen können.«
Mit diesen Worten stieg Schwester Barbara die wenigen Stufen von der Bühne zum Boden des Zeltes hinunter. Hunderte von Augenpaaren folgten ihr, als sie mit ausgebreiteten Armen den Mittelgang entlangging und dabei hier und dort über die Stirn eines Menschen strich. Ohne Ausnahme fiel jeder, den sie berührt hatte, zu Boden und blieb zusammengerollt liegen. Einige Zuhörer drängten aus den Reihen, um ihre Aufmerksamkeit zu gewinnen.
»Laßt euch von niemandem einreden, es gäbe keine Hoffnung«, sagte sie auf ihrem Weg durch den Gang. Eine Reihe von zusammengesunkenen Körpern säumte ihren Weg. »Hört nicht auf die Endzeitpropheten, die die Welt aufgegeben haben und nicht mehr an eine Rettung glauben. Schenkt ihnen keinen Glauben, wenn sie von einer
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