Verschwoerung gegen Baron Wildenstein
nach Graf Gernot gegangen, hätten es sich die Ankömmlinge erst einmal richtig gut gehen lassen dürfen. Eine warme Mahlzeit und vielleicht sogar ein heißes Bad, so hatte Gernot sich das vorgestellt.
Doch seine Frau war der Ansicht, dass zuallererst das Evangeliar aus dem Kloster geholt werden müsste. Davon ließ sie sich auch durch noch so energische Einwände ihres Mannes nicht abbringen. Sie bestand darauf, dass das Evangeliar herbeigeholt werden müsste, sodass sie es in den Händen halten könnte. Schließlich hätte sie vor Gott ein Versprechen gegeben und könnte sich jetzt unmöglich an einem Festbankett oder einem Turnier erfreuen, solange sie nicht das Buch in den Händen gehalten hätte.
“Versteh doch bitte, wie wichtig das für mich ist!”, bettelte sie.
“Das tue ich ja!”
“Ein Bad kannst du sicher auch später noch nehmen – oder ganz darauf verzichten.
Du weißt, was der Arzt auf unserer heimatlichen Tannburg darüber sagt …” Graf Gernot nicke. Oft genug hatte er sich die Meinung seines Arztes anhören müssen. Er glaubte, dass Baden schädlich sei und an der Übertragung ansteckender Krankheiten schuld sei. Zur Eindämmung schlechter Gerüche empfahl er Räucherkerzen und Duftstoffe.
“Und du weißt, dass ich nicht viel von diesem Arzt halte”, wandte Graf Gernot ein.
“Er hat meine Mutter von ihrer Lungenkrankheit geheilt”, gab die Gräfin zu bedenken. “Hast du das vergessen?”
“Natürlich nicht.” Graf Gernot war bekannt dafür, dass er seiner Frau jeden Wunsch zu erfüllen versuchte. Also bat er Baron Norbert, ihn mit einigen seiner Mannen zum Kloster St. Ingbert zu begleiten, um das Buch mit den sieben Siegeln zu holen.
“Ihr Wunsch ist mir Befehl, Graf!”, erwiderte Baron Norbert pflichtschuldig. “Der Rest Eurer Männer sollte inzwischen den Goldschatz, den Ihr zur Bezahlung mitführt, in meiner Schatzkammer lagern, damit kein Dieb in die Versuchung kommt, sich daran zu bereichern.”
“Das ist ein guter Vorschlag! – Ich habe noch eine weitere Bitte, Baron Norbert!”
“Äußert sie frei heraus! Wenn immer es in meiner Macht steht, werde ich sie erfüllen”, war die Antwort des Burgherrn von Wildenstein.
“Ein Knappe und ein Page aus Euren Reihen wurden von meinen Männern irrtümlich als Strauchdiebe gefangen genommen …”
“Wolfram und Ansgar …”, murmelte Baron Norbert. “Ferdinand erwähnte mir gegenüber diesen Vorfall …”
“Ich möchte den Schrecken, den meine Leute den beiden eingejagt haben, wieder gut machen”, erklärte Graf Gernot in gedämpftem Tonfall, weil er nicht wollte, dass seine Worte von aller Welt gehört wurden. “Wenn Ihr die beiden dem Reitertrupp zuordnen würdet, der uns zum Kloster begleitet und für die Sicherheit des Buches sorgt, dürfte das diese Jungen sehr glücklich machen.”
“Sie würden damit vor allen anderen ausgezeichnet, obwohl sie bei der Erledigung einer Botschaft offensichtlich ziemlich weit vom Weg abkamen”, erklärte Baron Norbert. Er hatte Wolfram und Ansgar deswegen zwar noch nicht getadelt, aber ihnen jetzt auch noch die Gelegenheit zu geben, sich unter den anderen Pagen und Knappen in den Vordergrund zu spielen, das ging doch etwas zu weit!
“Nun, es ist eine Bitte”, sagte Graf Gernot. “Natürlich werde ich Euch in der Führung Eures Burgvolks nicht hineinreden …”
“Glaubt Ihr nicht, dass zumindest Wolfram noch reichlich jung dafür ist?”, wich der Baron der eigentlichen Entscheidung aus. “Schließlich ist er noch kein Knappe, der seinen Ritter auch bei gefährlichen Aufträgen zu begleiten hat, sondern ein Page!”
“Was ist schon dabei, ein Buch aus einer Klosterkammer zu holen?” Baron Norbert atmete tief durch. Es fiel ihm sichtlich schwer, auf den Vorschlag seines Lehnsherrn einzugehen, aber schließlich rang er sich doch dazu durch und gab nach. Warum sollte er den Grafen unnötig vor den Kopf stoßen?
Es war auch für den Baron besser, wenn sich sein Lehnsherr von Anfang an wohl auf Burg Wildenstein fühlte.
*
Wolfram und Ansgar freuten sich sehr, an dem Ritt teilnehmen zu dürfen.
“Ich frage mich allerdings, womit wir diese Auszeichnung verdient haben”, meinte Wolfram. “Eigentlich hatte ich mit etwas ganz anderem gerechnet.”
“Freuen wir uns einfach darüber, dass die ganze Sache so glimpflich für uns verlaufen ist”, erwiderte Ansgar.
Die beiden Jungen fanden sich mit frischen Pferden am Burgtor ein, wo der Reitertrupp sich treffen
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