Verschwoerung gegen Baron Wildenstein
gespannt!”
“Die Mönche verdienen doch einen erheblichen Teil der Klostereinkünfte mit dem Verkauf von kunstvoll gestalteten Bibelhandschriften. Das ist seit vielen Jahren so und offenbar war die Bücherliebe des Paters bisher auch nie so groß, dass er das betreffende Exemplar einfach verschwinden ließ!”
Ansgar atmete hörbar aus. Es klang beinahe wie ein ziemlich ratloses Seufzen.
“Zugegeben, du kennst den Charakter dieses Paters besser als ich. Aber andererseits muss es eine vernünftige Erklärung dafür geben, wie das Evangeliar aus dem verschlossenen Zimmer herausgelangt ist!”
“Ja, ich weiß, dass alles gegen Ambrosius spricht. Aber ich bin überzeugt davon, dass wir nur deshalb im Dunkeln tappen, weil wir einfach noch nicht die volle Wahrheit kennen!”
*
Draußen angekommen entschuldigte sich der Abt Darenius noch einmal bei Graf Gernot und versicherte, dass er nie geahnt hätte, welch schändlicher Charakter in dem festgenommenen Pater stecke.
“Ich habe diesem Mann vertraut. Er ist seit vielen Jahren Mitglied unserer Gemeinschaft. In meinen schlimmsten Albträumen hätte ich nicht vermutet, dass ausgerechnet dieser so vielseitig begabte Mann zu einer derartigen Tat fähig sein könnte!”
“Der Mensch vermag nicht in die Seele eines anderen hineinzublicken”, sagte Baron Norbert versöhnlich. “Das vermag nur Gott.”
“Bevor wir zur Burg zurückkehren, müssen wir überlegen, was zu tun ist”, fand Ferdinand von Walden.
Baron Norbert nickte. Sein Blick war düster und nachdenklich. “Sowohl das Festbankett als auch das Turnier sollte man unter diesen Umständen wohl am besten absagen”, meinte der Burgherr. “Jedenfalls ist mir im Moment nicht nach Feiern zumute.”
“Mir geht es ähnlich!”, knurrte Rüdiger von Kleinfeld, der zu den Rittern des Grafen Gernot gehörte. “Erst muss der Halunke ergriffen werden, der das Buch in seine Gewalt brachte! Oder wie seht Ihr das, Graf Gernot?”
Graf Gernot zögerte einen Augenblick zu lange. Ein anderer kam ihm daher mit seiner Antwort zuvor: “Ihr dürft weder das Turnier noch das Bankett absagen”, mischte sich Wolfram ein. Schon im nächsten Moment biss er sich auf die Zunge und verwünschte sich dafür, einfach seine Gedanken über die Lippen gelassen zu haben.
“Sei still! Seit wann reden Kinder mit, wenn erwachsene Männer sich beraten!”, fuhr ihm Baron Norbert ärgerlich über den Mund.
“Seine Meinung zu sagen sollte ein jeder zukünftige Ritter lernen”, wandte jedoch Graf Gernot ein. “Entscheiden müssen natürlich wir.” Er wandte sich Wolfram zu, der sich so frech erdreistet hatte, an unpassender Stelle das Wort zu ergreifen. “Ich möchte gerne hören, was du zu sagen hast!”
Alle Augen waren nun auf Wolfram gerichtet. Ein dicker Kloß saß ihm im Hals. Mit vielem hatte er gerechnet – aber nicht damit! “Scheinbar geht hier jeder davon aus, dass Pater Ambrosius der Dieb war!”
“Du musst zugeben, dass der Fall ziemlich klar scheint.”
“Was aber, wenn er es nicht war? Pater Ambrosius’ Schuld mag Euch offensichtlich vorkommen, aber sie ist noch nicht bewiesen. Wenn es aber ein anderer war, so glaube ich, dass diese Person sich entweder im Kloster oder auf der Burg aufhält. Mag es nun einer von den Mannen des Barons oder denen des Grafen sein, das ist einerlei! Sobald er sich davonmacht, wird das auffallen. Aber wenn das Bankett und das Turnier abgesagt werden, wird es niemandem mehr auffallen, dass möglicherweise einer der Ritter zu seinem Gut zurückreitet, wenn die Gaukler weiterziehen. Auch die Mannen des Grafen werden sich auf den Rückweg machen. Irgendwer unter den vielen Menschen, die zum Bankett kommen oder dem Turnier beiwohnen wollen, muss dem Täter zumindest geholfen haben!”
“Deine Gedanken sind logisch”, erkannte Graf Gernot an. “Wir sollen also feiern, als ob nichts gewesen wäre?”
“Genau das!”, bestätigte Wolfram. “Dann wiegt sich der Dieb in Sicherheit.” Graf Gernot kratzte sich am Kinn. Er überlegte einen Moment. Eine tiefe Furche bildete sich mitten auf seiner Stirn.
Baron Norbert spürte, dass sein Lehnsherr den Vorschlag dieses Pagen ernsthaft erwog. Also verzichtete der Burgherr von Wildenstein darauf, Wolfram noch einmal wegen seines unverschämten Verhaltens zu tadeln.
“Ihr habt einen hellen Kopf unter Euren Pagen, Baron”, stellte Graf Gernot schließlich anerkennend fest. “Gewiss wird er Euch in der Zukunft noch gute Dienste
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