Verschwörung im Zeughaus
ertragen wäre als eine Ehe mit einem Mann, den sie verabscheute. Was sie nicht geahnt hatte, war, dass die Strafe, die sie sich damit selbst auferlegte, unerträglich sein würde.
Zu hoffen, dass Greverode ihr verzeihen würde, brachte sie nicht fertig. Dies war zu vermessen, nach allem, was zwischen ihnen vorgefallen war.
Dennoch – ein winziger Funke glomm in ihrem Herzen, ließ einen Gedanken zu, der sich in ihrer Situation eigentlich verbot. Ihr Naturell hätte sie dazu zwingen müssen, um ihn zu kämpfen. Sie war ein Mensch, der niemals aufgab, ganz gleich, was sie sich vorgenommen hatte. Doch wie sollte sie ihm begreiflich machen, dass sie sich geirrt hatte? Dass sie nichts lieber sein wollte als seine Frau?
Heiße Tränen rannen Mira inzwischen über die Wangen. Ihr Herz und ihre Kehle krampften sich schmerzlich zusammen. Bei der Erinnerung daran, wie er sie am Tag zuvor angesehen, wie er sie an sich gezogen und sie geküsst hatte, durchfuhr sie jetzt noch ein heftiger Schauer. Niemals hätte sie erwartet, dass es so sein würde – dass er so sein würde. Oder doch? Schon lange hatte sie in seiner Nähe diese beinahe unkontrollierbare Anziehungskraft verspürt. Es war beängstigend gewesen – und aufregend, genau wie der Mann selbst.
Zitternd atmete Mira ein und aus und versuchte, sich zu beruhigen. Wenn sie ihn haben wollte, durfte sie sich jetzt auf keinen Fall umbringen lassen. Sie musste einen klaren Kopf behalten und sich einen Weg überlegen, wie sie aus dieser misslichen Lage herauskam.
Wieder zerrte sie energisch an ihren Fesseln, jedoch ohne Erfolg. Mit etwas Mühe setzte sie sich auf und merkte erst jetzt, wie durchgefroren sie war. Der klamme Mantel wärmte sie nur unzureichend, der Fußboden war eiskalt, ihre Knochen schmerzten vom langen Liegen. Fieberhaft versuchte sie sich die Räumlichkeiten ins Gedächtnis zu rufen. Schließlich kroch sie auf gut Glück in die Richtung, in der sie die Kellertreppe vermutete. Als sie die unterste Stufe erreicht hatte, spürte sie erleichtert, dass die Treppe aus Stein gehauen war. Entschlossen setzte sie sich mit dem Rücken zum Aufgang und schabte mit dem Strick, der ihre Hände gefesselt hielt, so fest sie konnte über die Kante der Stufe.
Sie wusste nicht, wie lange sie ihre Fesseln auf diese Weise würde bearbeiten müssen. Ihre Hände begannen schon bald zu schmerzen, da sie sich an mehreren Stellen die Haut aufgerissen hatte. Doch sie hörte nicht auf.
Just in dem Moment, als sie es geschafft hatte, den Strick zu durchtrennen, öffnete sich die Kellertür, und der unstete Lichtschein einer Fackel fiel auf die Treppe.
Während Neklas noch nach dem Zügel von Tilmanns Reittier griff, war dieser bereits zur Haustür des Palm’schen Wohnhauses gestürmt und pochte heftig mit der Faust dagegen. Es dauerte nicht lange, bis ein großer, dürrer Knecht öffnete. Offenbar erkannte dieser ihn, denn seine Augen wurden vor Schreck kugelrund.
«K-kann ich Euch helf–»
«Wo steckt er?», brüllte Tilmann ihn an. «Evert Palm, ich will ihn sofort sprechen.»
«J-ja, Herr, sehr wohl, sofort, Herr.» Der Knecht zog den Kopf ein und wollte sich gerade abwenden, um Palm herbeizuholen, als dieser bereits hinter ihm erschien.
«Nanu», sagte er, noch bevor er sah, wer vor der Tür stand, «wer macht denn da solch einen Lärm?»
Ehe Neklas oder Jupp ihn zurückhalten konnten, hatte Tilmann den Knecht bereits zur Seite gedrängt und sich vor Evert Palm aufgebaut. Wütend blickte er auf den wesentlich kleineren Mann hinab, dessen vorstehender Wanst und Hängebacken von einem Hang zu Völlerei und übermäßigem Weingenuss zeugten.
«Wo ist sie?», herrschte er den Ratsherrn an.
Dieser wurde blass und wich erschrocken zurück, als er erkannte, wen er vor sich hatte. «Hauptmann Greverode! Wo kommt Ihr denn … Ich meine, was tut Ihr hier? Ihr werdet doch gesucht!»
«Ganz recht, und dafür darf ich mich unter anderem bei Euch bedanken, nicht wahr?» Allein mit seiner Präsenz brachte Tilmann sein Gegenüber dazu, noch weiter zurückzuweichen.
Neklas tauchte neben ihm auf und legte ihm eine Hand auf den Arm. «Ruhig, Schwager.»
Palms Augen wanderten sichtlich nervös von Tilmann zu Neklas und dann zu Jupp, der hinter den beiden das Haus betreten hatte. Auf seiner Stirn erschienen Schweißperlen. «Was … Was wollt Ihr hier?»
«Sagt mir sofort, wo Mira von Raderberg ist!», fuhr Tilmann ihn erneut an. «Ich schwöre Euch, wenn Ihr sie auch nur mit
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