Verschwörung im Zeughaus
diesem alten Haus verschwunden waren. Es handelte sich offenbar um eine Gerberwerkstatt mit angeschlossenen Wohnräumen – in diesem Stadtteil waren die Gerber und Blaufärber angesiedelt. Aus den Bächen und Wassergräben ringsum stieg beißender Gestank auf, der sich niemals ganz verzog, denn die Gerber leiteten die Gerbflüssigkeiten direkt in die fließenden Gewässer ein.
Mira erschrak, als sie ganz in der Nähe ein Klappern und Knirschen vernahm. Sie drückte sich in eine Wandnische und blickte sich vorsichtig um. Es war jedoch weit und breit niemand zu sehen.
Sie fröstelte, denn ihr Mantel war mittlerweile klamm geworden und hing schwer um ihre Schultern. Der Wind nahm stetig an Stärke zu, und sie hatte den Eindruck, dass er kältere Luft mit sich brachte. Der Verdacht bestätigte sich kurz darauf, als sich in den leichten Regen immer mehr Schneeflocken mischten. Es wäre vernünftig gewesen, zur Apotheke zurückzugehen, denn es wusste ja niemand, wo sie sich jetzt aufhielt. Doch was, wenn Harro und Dora ihnen dann wieder entschlüpften? Das durfte auf keinen Fall geschehen.
Angestrengt lauschte sie, aber es war lediglich das Pfeifen des Windes und das leise Rauschen des Schneeregens zu hören. Wenn sie herausfinden wollte, was in der Gerberei vor sich ging, musste sie wieder zurück zum Fenster. Zwar waren die Läden zugezogen, jedoch nicht verriegelt. Auch war von innen keine Wachshaut oder Leder vor den Fensterrahmen gespannt, sodass die Stimmen im Haus zu vernehmen waren. Leider sprachen die Personen zu leise, als dass Mira dem Gespräch hätte folgen können. Durch die Ritzen des Fensterladens versuchte sie zu erkennen, was sich drinnen tat, mehr als ein paar Bewegungen konnte sie allerdings nicht ausmachen. Sie traute sich nicht, den Fensterladen weiter aufzuziehen, aus Sorge, man könnte sie bemerken.
Plötzlich knirschten hinter Mira leise Schritte auf dem unebenen, steinigen Untergrund. Bevor sie reagieren konnte, spürte sie, wie sich die Spitze eines Dolches in ihren Rücken bohrte.
«Ei, wen haben wir denn da?», fragte eine dunkle, männliche Stimme. «Ist das nicht die edle Jungfer aus der Apotheke? Ihr hättet uns nicht den ganzen Weg hierher folgen sollen. Wisst Ihr nicht, dass so was gefährlich sein kann?»
Mira erstarrte. Ihr Herzschlag schien für einen Moment auszusetzen. Die Dolchspitze drückte sich noch ein bisschen fester zwischen ihre Rippen, weshalb sie nicht einmal zu atmen wagte.
«Bewegt Euch», befahl Harro, denn nur um ihn konnte es sich handeln. «Wir werden uns im Haus überlegen, was wir mit Euch machen.»
«Nichts», berichtete Neklas, als er und Jupp einige Zeit später vom Waidmarkt zurückkehrten. «Das Haus, das Griet uns beschrieben hat, steht leer. Es ist wohl eine von Palms Besitzungen, das steht fest, aber Mira war nirgends zu sehen. Ebenso wenig Harro oder Dora und schon gar nicht Beede Palm.»
Adelina wurde blass, und auch Griet blickte die Männer erschrocken an. «Aber wo steckt Mira denn? Sie wollte doch dort aufpassen und warten, bis Hilfe kommt!»
Tilmann stieß einen erbosten Laut aus. «Vermutlich sind die Herrschaften aufgebrochen, und sie hatte nichts Besseres zu tun, als ihnen zu folgen.»
Adelina ließ sich auf die Ofenbank sinken. «Oje, glaubst du wirklich?» Sie seufzte. «Das sähe ihr ähnlich.»
«Dann bleibt uns wohl nur, abzuwarten, bis sie wieder hier auftaucht», sagte Jupp mit besorgter Miene.
«Und wenn sie sie entdeckt haben?», warf Griet ein. Fahrig strich sie über ihren Rock. «Was dann?»
Neklas kräuselte die Lippen. «Wir dürfen nicht gleich vom Schlimmsten ausgehen. Mira ist ein kluges Mädchen, sie wird schon auf sich achtgeben.»
«Eine kluge Frau» – Tilmann betonte die Worte auffällig – «hätte sich von diesen Gestalten ferngehalten.»
«Sie wollte bestimmt verhindern, dass uns Harro wieder entwischt», versuchte Griet, ihre Freundin zu verteidigen.
«Wunderbar. Und wo steckt sie jetzt?» Tilmann winkte ab. «Ihr habt recht, Meister Jupp. Warten wir, bis sie der Verfolgungsjagd überdrüssig wird. Bei dem Wetter sollte sie wohl bald wieder hier sein.»
Seine Stimme klang forsch, doch Adelina hatte den Eindruck, dass er sich nicht so sicher war, wie er vorgab. Sie konnte ihn gut verstehen. Eine junge Frau, die allein durch die Straßen von Köln streifte, war grundsätzlich einiger Gefahren ausgesetzt. Wenn sich diese Frau aber auch noch auf Verbrecherjagd begab, war mit dem Schlimmsten zu
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