Verschwörung im Zeughaus
starken Mann, keinen Waschlappen.» In ihre Augen trat ein unheimliches Glitzern. «Findet Ihr nicht, dass Tilmann der stärkste, der ansehnlichste Mann in Köln ist? Fast wäre er mein gewesen! Aber was tut er? Weist mich ab.» Sie fixierte Mira, nun wieder zornig. «Und wofür? Damit er dieses Biest Heidlind heiraten kann. Gott, wie hat sie sich damit gebrüstet! Und sie ist um ihn herum scharwenzelt und hat ihm jeden Wunsch von den Augen abgelesen. Dabei wäre das meine Aufgabe gewesen. Ich habe ihn geliebt, sie nicht. Aber dann ist sie ja zum Glück rasch gestorben. Leider war es da schon zu spät für mich, weil ich Evert bereits geheiratet hatte.» Sie trat ganz nahe an Mira heran und zog sie unvermittelt an den Haaren. «Könnt Ihr Euch vorstellen, wie wütend ich geworden bin, als man mir berichtete, Tilmann wolle sich nach all den Jahren nun doch wieder vermählen? Mit einer adeligen kleinen Schnepfe? Da wusste ich es – ich war ihm nicht gut genug gewesen. Dieser Mistkerl!
Dann habt Ihr Euch ihm allerdings verweigert. Selten habe ich dermaßen gelacht. Geschieht ihm recht, habe ich mir gesagt. Soll er am eigenen Leibe spüren, wie es ist, zurückgewiesen zu werden. Und wisst Ihr was?» Mira unterdrückte einen Aufschrei, als Beede noch fester an ihrem Zopf zog. «Das ist der einzige Grund, weshalb Ihr noch lebt, Jungfer Mira. Wenn Ihr ihn nämlich genommen hättet, müsste ich Euch jetzt ebenfalls hassen.» Abrupt ließ sie Mira los und entfernte sich ein paar Schritte.
Mira starrte sie entgeistert an. «Frau Beede, was habt Ihr getan? Wart Ihr es etwa, die … Aber nein, das ist nicht möglich!»
«Was ist nicht möglich?» Beede lächelte kalt. «Dass ich Clais und Tilmann habe überfallen lassen? Das war nicht weiter schwierig. Mein lieber Harro» – sie ging zu dem bärtigen Knecht und tätschelte ihm gönnerhaft die Schulter – «arbeitet schon so lange als Knecht in Clais’ Haushalt, dass er über jeden Schritt der Hauptmänner informiert war. Nun ja, über fast jeden Schritt. Jedenfalls hat es ausgereicht, um zu wissen, dass sich Clais und Tilmann an jenem Abend im Zeughaus treffen wollten. Harro und sein Bruder Hein, der bei den Bonner Söldnern dient, und zwei ihrer Freunde haben die Sache für mich in die Hand genommen. Sie sind mir treu ergeben, ebenso wie meine liebe Dora.» Beedes Augen verengten sich. «Vater hat sie allesamt auf die Straße gesetzt, nachdem er mich mit Evert verlobt hatte. Evert wollte so viel Gesinde nicht übernehmen, obwohl ich ihn inständig gebeten hatte. Aber nein, er meinte, das sei zu teuer. Als ob gutes, ergebenes Gesinde nicht Gold wert wäre! Zum Glück konnte ich Christine überreden, wenigstens Harro und Dora aufzunehmen. Sie ist ja so eine gute Freundin! Weiß Gott eine schlechte Ehefrau, aber eine gute Freundin. Nun ja, zuletzt nicht mehr. Sie dachte wohl, ich verdächtige sie, an dieser Verschwörung gegen die Stadt oder wie sie es nannte beteiligt zu sein. Vor allem, nachdem ich bei Euch in der Apotheke war. Kein Wunder, dass sie sich aufgeregt hat. Sie wollte nur immer ihre Ruhe haben, damit sie mit diesem Reese herumtändeln konnte.»
«Aber Ihr habt selbst gesagt, dass sie sich gegen die Ermittlungen ihres Gemahls gestellt hat», warf Mira ein.
Beede zuckte die Achseln. «Hättet Ihr Euch da nicht auch aufgeregt? Ich meine, solche guten Beziehungen zum Adel sollte man doch pflegen und nicht mit irgendwelchen dummen Haarspaltereien aufs Spiel setzen.»
«Haarspaltereien?», fuhr Mira auf. «Van Wesel betrügt die Stadt Köln und nimmt in Kauf, dass unschuldige, rechtschaffene Bürger dabei zu Schaden kommen.»
«Ach Gott, ja, wenn Ihr es so sehen wollt. Aber ein Graf ist ein Graf. Ich wäre auch böse geworden, wenn sich mein Evert in Dinge eingemischt hätte, die ihn nichts angehen.»
«Also …» Mira schüttelte den Kopf. «Ist es Euch lieber, dass er mit dem Grafen gemeinsame Sache macht?»
«Was?» Beede lachte. «Mein Evert? Wie kommt Ihr denn darauf?»
Mira richtete sich ein wenig auf. «Ihr wisst es also nicht?»
«Was soll ich nicht wissen?» Arglos legte Beede den Kopf schräg.
Mira spürte, wie sich eine Gänsehaut auf ihrem Rücken ausbreitete. Vor ihr stand eine Frau, die nicht nur übergeschnappt war, sondern offenbar auch noch vollkommen unwissend. Wie konnte das sein?
«Sie ist dumm» , klang Tilmanns Stimme in ihren Ohren. Ihr wurde eiskalt. Vielleicht war dumm nicht das richtige Wort, obgleich ihre geistigen Fähigkeiten
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