Verschwörung im Zeughaus
heilen vermag.»
«Das klingt, als würdest du Galens Lehre über die vier Elemente und Säfte nicht viel Bedeutung beimessen», mischte Neklas sich ein.
Ludmilla schnaubte. «Da habt Ihr recht, Herr Magister. Meiner Beobachtung nach braucht es mehr als vier Säfte, um die Vorgänge im Körper eines Menschen zu verstehen. Falls Ihr an einem gelehrten Disput interessiert seid, können wir diesen gern zu einem passenden Zeitpunkt nachholen.»
«Ein gelehrter Disput mit dir?» Amüsiert hob er die Brauen. «Das könnte möglicherweise erhellend sein.»
Ludmilla kicherte. «Ja, das wäre es wahrscheinlich.» Sie packte ihre Madendose zurück in den Korb, entnahm ihm stattdessen ein Säckchen mit frischer Weidenrinde und reichte es Adelina. «Ich wusste nicht, wie viel du davon im Haus hast, also habe ich dir meinen gesamten Vorrat mitgebracht.» Sie hielt inne und lauschte. «Kann es sein, dass da jemand nach dir ruft?»
Auch Adelina hob den Kopf. «Das ist Vitus. Ich schaue besser nach, was oben los ist.» Rasch stieg sie die Stufen in ihr Laboratorium hinauf. Dort angekommen, blieb sie erschrocken stehen, denn mitten im Raum stand Vitus und starrte sie verblüfft an.
«Lina? Was machst du denn da? Warum kommst du von da unten?»
Sie biss sich auf die Lippen, ging jedoch betont forsch auf ihren jüngeren Bruder zu. «Da unten ist doch noch eine Kammer. Dort haben wir –»
«Weiß ich, Lina.» Vitus nickte heftig. «Da unten ist ein Vorratsraum und Gänge und so. Du bist doch schon mal da drinnen gewesen, das ist aber lange her. Als Neklas im Gefängnis gewesen ist.»
«Das weißt du noch?» Verblüfft sah Adelina ihn an. Bisher war sie davon ausgegangen, dass Vitus vor drei Jahren von den Geschehnissen nicht allzu viel mitbekommen hatte.
«Klar weiß ich das noch. Ist aber ein Geheimnis, weil niemand davon wissen darf. Ich sag auch nix, aber warum seid ihr da unten? Ich hab Stimmen gehört. Ist Neklas auch da?»
Adelina seufzte und warf einen kurzen Blick über die Schulter. «Komm, Vitus, lass uns nach oben in die Küche gehen, dann erzähle ich dir, was dort unten vorgeht.»
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6. KAPITEL
V orsichtig kletterte Adelina durch die Falltür nach oben und leuchtete dann Ludowig und Mira, die ihr dicht auf den Fersen waren, den Weg. Sie blickte sich aufmerksam um und lauschte, doch außer dem leisen Schnauben des Pferdes, in dessen Stall sie sich befand, war nichts zu hören. Kaum standen ihre beiden Begleiter neben ihr, schloss sie die Klappe wieder und schob mit den Füßen Stroh darüber. Sie hatte diesen geheimen Weg aus ihrem Haus zuletzt vor drei Jahren benutzt. Die Falltür tat jedoch nach wie vor ihren Dienst, und es war nicht das leiseste Quietschen zu vernehmen. Neklas sorgte dafür, dass die Scharniere immer gut geschmiert waren – nur für den Fall, dass sie den Geheimgang noch einmal benutzen mussten.
«Was jetzt?», raunte Mira und klopfte sich das Stroh von ihrem Rocksaum.
Adelina bedeutete ihr mit Gesten, zu schweigen und ihr zu folgen. So leise und schnell wie möglich überquerten sie den Hof und traten durch ein mannshohes Holztor hinaus auf die Judengasse. Die Sonne ging gerade erst auf, deshalb war es in der Stadt noch ruhig. Nachdem Ludmilla sie am Vortag darauf aufmerksam gemacht hatte, dass das Apothekenhaus von einem der Büttel beobachtet wurde, hatte Adelina mit Neklas vereinbart, den geheimen Weg hinaus zu wählen, um unbemerkt zu Tilmanns Haus am südlichen Ende des Heumarktes zu gelangen. Ludowig hatte sie zu ihrem Schutz mitgenommen, Mira, weil sie Hilfe von jemandem brauchte, der ebenfalls lesen konnte. Denn das, was sie in Tilmanns Haus zu finden hoffte, waren Hinweise – bestenfalls schriftliche – auf das, was ihren Bruder in der letzten Zeit beschäftigt hatte. Mira mit ihrem klugen Kopf und ihrer raschen Auffassungsgabe erschien ihr da als die beste Wahl.
Erst als sie fast den Heumarkt erreicht hatten, sagte sie: «Denkt daran, kein Wort darüber, dass sich Tilmann bei uns aufhält. Wir sind nur unterwegs, um herauszufinden, was mit ihm geschehen ist.»
«Werden seine Knechte uns denn überhaupt einlassen und uns gestatten, dass wir uns in seinem Haus umsehen?», zweifelte Mira. «Was, wenn sie uns gleich an der Tür abweisen? Bestimmt ist es ihnen nicht recht, wenn wir in seinen Sachen herumschnüffeln.»
«Wir schnüffeln nicht», widersprach Adelina brüsk, «sondern forschen nach, was sich in den Tagen vor dem Vorfall im Zeughaus zugetragen
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