Verschwörung im Zeughaus
irgendwie zu Schaden kommen oder gestohlen werden, kommt Euer Bruder für den Schaden auf. Gleichzeitig verpflichtet er sich, zwei seiner Männer zum Schutz der Waren während des Transports abzustellen. Habt Ihr von so etwas schon einmal gehört?»
«Lass sehen.» Neugierig griff Adelina nach dem Schriftstück und studierte es.
«In der linken Truhe sind noch mehr solcher Kontrakte.» Mira deutete hinter sich. «Ich wusste gar nicht, dass man Sicherheit verkaufen kann. Ist das nicht ziemlich riskant? Handelstransporte werden doch oft überfallen.»
«Wahrscheinlich schickt er deshalb immer zwei seiner Männer mit», vermutete Adelina. «Davon wusste ich nichts, Mira, aber wenn diese Art Handel erfolgreich ist, erklärt das, wie sich Tilmann in so kurzer Zeit zwei große Gleven leisten konnte. Sein Sold als Hauptmann reicht dazu nicht aus, auch nicht, wenn man mögliche Beteiligungen an beschlagnahmten Gütern hinzurechnet.»
«Und ich dachte immer, er hätte die Mitgift seiner seligen Frau dazu verwendet. Es heißt doch, dass er Frau Heidlind allein des Geldes und des Grundbesitzes ihrer Familie wegen geheiratet habe.»
«Das hat er wohl», bestätigte Adelina nachdenklich. «Aber selbst dieses Vermögen würde wahrscheinlich nicht ausreichen, denn Gleven kosten ja ständig Geld. Die Tiere müssen versorgt, die Männer bezahlt und verpflegt werden, ganz zu schweigen von der Ausrüstung. Merkwürdig, dass ich mir darüber noch nie Gedanken gemacht habe. Ich bin wie du immer davon ausgegangen, dass Tilmann über geerbte Mittel verfügt, aber sein Vater war Söldner und besaß nur vergleichsweise geringfügigen Besitz.» Sie schüttelte den Kopf und seufzte. «Nun kenne ich ihn schon so lange und weiß dennoch fast nichts über ihn.»
«Na ja, zu den gesprächigsten Menschen gehört er ja auch nicht gerade», gab Mira zu bedenken und legte die Urkunde zurück in die Truhe.
«Vielleicht nicht, aber ich hätte mir doch mehr Mühe geben sollen, ihn besser kennenzulernen.» Betrübt strich Adelina mit den Fingerspitzen über das dunkle Holz der Tischplatte und tippte dann mit dem Zeigefinger gegen das mit Wachs versiegelte Tintenhorn. «Jetzt werde ich womöglich keine Gelegenheit mehr dazu haben. So schlecht, wie es ihm geht, müssen wir befürchten –»
«Nein, sprecht es nicht aus!» Mira bekreuzigte sich hastig. «Wir müssen die Muttergottes und alle Heiligen bitten, ihn zu beschützen. Vielleicht wird er ja doch wieder gesund.» Entschlossen trat sie an die zweite Truhe und hob deren Deckel. Adelina beobachtete sie verblüfft.
«Nichts Außergewöhnliches», verkündete ihre Gesellin nach ein paar Minuten. «Alte Briefe, beglichene Schuldverschreibungen … Das hier sind, glaube ich, Landkarten. Sieht aus, als hätte er sie selbst erstellt. Schaut, er hat verschiedene Ortschaften im Umkreis von Köln eingezeichnet und mit Linien verbunden. Und was ist das hier? Namen oder Namenskürzel?» Mira rollte eine der Karten auf dem Pult aus. Adelina beschwerte die Ecken mit Tintenhorn, Tintenfässchen und einer kleinen Talglampe. Für eine geraume Weile betrachteten sie die Karte schweigend.
«Sind das Handelsrouten?», fragte Mira schließlich.
«Vielleicht die Wege, über die die Waren transportiert werden, die seine Männer bewachen sollen», vermutete Adelina.
«Aber würden sie dann nicht über die großen Handelsstraßen führen?» Mira deutete auf einen der großen Transportwege, die auf der Karte klar und deutlich durch eine rotbraune Färbung hervorgehoben waren.
Adelina besah sich die eingezeichneten Landmarken genauer. «Du hast recht. Vielleicht sollten wir die Karte vorsichtshalber mitnehmen. Möglicherweise kann Neklas etwas damit anfangen. Was ist sonst noch in der Truhe?»
«Nichts Besonderes.» Noch einmal ging Mira vor der Kiste in die Hocke und wühlte darin. «Nur noch ein paar leere Tintenhörner, ein Büchlein, das sich Liber Abbaci nennt …»
«Das besitzt er?» Verblüfft sprang Adelina auf und ging ebenfalls zu der Truhe. «Das ist eine Abhandlung über Mathematik, speziell über Rechenoperationen, wie Kaufleute sie verwenden. Mein Vater besaß auch ein Exemplar, das ich inzwischen in der Truhe in unserer Schlafkammer aufbewahre.» Andächtig nahm sie das in Schweinsleder gebundene Büchlein in die Hand. «Und was ist das?» Sie deutete auf ein weiteres Buch.
Mira nahm es aus der Truhe und schlug es auf. «Zahlen», sagte sie verwundert. «Schaut mal, lauter Spalten mit Zahlen.
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