Verschwörung im Zeughaus
jedoch längst erraten, dass sie ihren Bruder beherbergte. Und seine Ankündigung des Besuchs der Büttel sprach dafür, dass er ihre Vorgehensweise befürwortete. Die beiden Mägde waren nun dabei, das Laboratorium aufzuräumen oder vielmehr in seinen ursprünglichen Zustand zurückzuversetzen. Die Luke in das Gelass unterhalb des Kellerraumes musste geschlossen und die schwere Kiste wieder darübergeschoben und mit Holzscheiten gefüllt werden. Niemand durfte merken, dass sich dort ein Zugang zur Unterwelt befand. Beunruhigt dachte Adelina darüber nach, wie verblüfft und erschrocken sie selbst gewesen war, als sie die Falltür entdeckt hatte. Vor den Bütteln musste sie unbedingt geheim gehalten werden. Denn sie würden nicht nur dem Vogt sofort darüber Bericht erstatten und Tilmann zum Turme bringen – viele der städtischen Angestellten verdienten sich überdies ein Zubrot als Hehler oder gar Schlimmeres. Wenn bekannt wurde, dass es einen unterirdischen Weg in die Kellerräume städtischer Bürgerhäuser gab, wären sie vor Einbrechern und Diebesgesindel kaum mehr sicher.
Auch Ludowig und Vitus halfen, indem sie draußen hinter dem Haus Holz hackten und die Scheite hereintrugen, um die große Kiste im Laboratorium damit zu befüllen.
Nach einer Weile kam Mira wieder zurück. Sie machte sich sofort an die Zubereitung von Arzneien und äußerte sich nicht zu den Vorgängen im Keller. Ihre Blicke verrieten jedoch Besorgnis.
«Verzeiht bitte, Jungfer Mira», hörte Adelina in dem Moment eine hochgewachsene Frau mittleren Alters sagen, die ihr rotblondes Haar unter einer mit Blüten bestickten Hörnerhaube verbarg. Nicht nur der auffällige Kopfputz, sondern auch das wertvolle Brokatkleid verrieten ihre hohe Stellung. Eine reiche Patrizierin, wusste Adelina. Sie hatte die Frau schon des Öfteren auf dem Alter Markt gesehen. Ihr Name war Beede Palm, sie war die Gemahlin des Ratsherrn Evert Palm.
«Würdet Ihr mich bitte als Nächstes bedienen? Ich habe es sehr eilig und brauche dringend ein paar Wundarzneien.»
Ringsum wurde Unmut laut. Die übrigen Kunden tuschelten aufgebracht, doch da die Frau so hochgestellt war, traute sich offenbar niemand, ihr zu widersprechen.
Mira ließ sich davon jedoch nicht beeindrucken. «Gute Frau», antwortete sie ruhig, «es tut mir leid, aber es sind noch zwei Kunden vor Euch an der Reihe. Ich werde mich beeilen, so gut es geht.»
«Das ist ja unerhört!», beschwerte sich die Frau des Ratsherrn. «Wisst Ihr eigentlich, mit wem Ihr es zu tun habt?»
Ehe Mira darauf eingehen konnte, mischte sich Adelina ein. «Frau Beede, Euch habe ich ja lange nicht hier gesehen!» Sie warf Mira einen warnenden Seitenblick zu. «Verzeiht bitte, dass es heute so drunter und drüber geht. Das schlechte Wetter treibt die Kunden geradezu in Scharen zu uns. Was muss ich da hören? Ihr benötigt Wundarzneien? Ist jemand verletzt? Falls ja, solltet Ihr vielleicht besser Meister Jupp aufsuchen oder auch meinen Gemahl, den Magister.»
«Ach, Frau Adelina, das wird nicht nötig sein. Einer unserer Knechte hat sich geschnitten. So etwas kommt immer wieder vor. Darum muss man kein großes Aufhebens machen, aber gesundpflegen müssen wir ihn doch.»
«Wenn das so ist …» Adelina lächelte ihr zu. «Ich kann Euch Kräutermischungen aus Beinwell und Scharfgarbe mitgeben. Haltet die Wunde sauber und trocken. Meister Jupp empfiehlt überdies auch immer, die Wundränder mit Honig einzutreiben.»
«Mit Honig?» Beede Palm hob überrascht die Augenbrauen. «Wozu soll das gut sein?»
Adelina hob die Schultern. «So genau weiß ich es nicht. Meister Jupp sagt, er habe vor Jahren schon herausgefunden, dass Honig helfen kann, eine Wunde vor Brand zu schützen.»
«Davon habe ich auch schon einmal etwas gehört», mischte sich ein älterer Mann ein, der sich bereits mit einer Schachtel Kräuter für einen Aufguss gegen Gicht zum Gehen gewandt hatte. «Die Amme meiner Kinder hat immer Honig benutzt, wenn sich die Kleinen beim Spielen verletzt hatten. Ob es allerdings auch bei schweren Schnittwunden hilft, weiß ich nicht.»
«Schaden kann der Honig jedenfalls nicht.» Adelina griff hinter sich ins Regal und entnahm ihm Dosen mit getrockneten Kräutern sowie ein Gefäß mit Talkum. Mit geübten Händen bereitete sie eine Heilsalbe vor. «Kann ich sonst noch etwas für Euch tun, Frau Beede?», fragte sie.
«Nein danke, das sollte ausreichen.» Die Frau des Ratsherrn schüttelte den Kopf. «Wie gesagt, es
Weitere Kostenlose Bücher