Verschwörung im Zeughaus
ausgetobt. Sie waren fast den ganzen Tag im Hof. Ein bisschen sind wir auch spazieren gegangen, bis zum Mühlbach und wieder zurück. Dabei ist mir aufgefallen, dass noch immer einer von den Bütteln draußen herumlungert.»
«Das Haus wird noch beobachtet?» Neklas runzelte die Stirn. «Das gefällt mir nicht.» Er stand auf und hob Katharina auf seine Hüfte. «Was immer wir tun, wir müssen ausgesprochene Vorsicht walten lassen. Ich lege keinen großen Wert darauf, noch einmal Bekanntschaft mit einer der Gefängniszellen in der Kunibertstorburg zu machen. Einmal hat mir voll und ganz gereicht. Und ich möchte auch nicht das Risiko eingehen, dass einer von euch dort landet.» Er küsste Katharina auf die Nasenspitze und stellte sie zurück auf den Boden. Sogleich rannte sie zu Franziska und zupfte an ihrer Schürze.
«Komm spielen, Ziska!», forderte sie in dem energischen Ton, den kleine Kinder oft an sich haben, dem man aber nur schwer widerstehen kann.
«Nein, mein Schatz. Ich muss mich jetzt um das Abendessen kümmern», entgegnete die Magd jedoch energisch. «Du und Colin, ihr zwei könnt mir dabei helfen.» Sie trug Colin auf, das Geschirr aus dem Regal zu holen, und hob nun ihrerseits Katharina auf ihre Hüfte, gab ihr eine große Schöpfkelle in die Hand und leitete sie an, den Eintopf umzurühren.
Adelina erhob sich ebenfalls und holte einen der frischgebackenen Brotlaibe aus der Vorratskammer. Mira und Griet rollten die Landkarte sorgfältig zusammen und brachten sie mit dem Buch auf Adelinas Anweisung hinaus, um beides unten im Laboratorium vor neugierigen Blicken zu verbergen.
Sinnierend betrachtete Adelina ihren schlafenden Bruder. Es war früher Samstagmorgen. Die erste Nacht, in der Neklas keinen Wachdienst zu verrichten gehabt hatte, lag hinter ihnen. Ludmilla, die seit gestern ununterbrochen bei Tilmann gewacht hatte, war zur Kirche Groß St. Martin aufgebrochen, um einen frühen Gottesdienst zu besuchen. Danach wollte sie bei ihrer Hütte nach dem Rechten sehen, die vor den Stadttoren in einem Wald lag. Bis zum Abend würde sie wieder zurück sein. Adelina war ihr sehr dankbar für ihre Hilfe. Es war ein Segen, dass Ludmilla so viel von der Heilkunst verstand. Natürlich halfen auch Neklas und Meister Jupp, doch wenn es um schwierige und komplizierte Verletzungen oder Krankheiten ging, kam in Köln kaum jemand an der alten weisen Frau vorbei. Auch als Hebamme war sie sehr begehrt. Einst hatte sie bei der Geburt von Vitus geholfen, leider jedoch nicht verhindern können, dass Adelinas Mutter, Sieglinde Merten, vom Kindbettfieber übermannt wurde und starb. Den Säugling hatte sie retten können, und obgleich Vitus seit seiner Geburt geistig zurückgeblieben war, konnte Adelina nicht anders, als Ludmilla dankbar zu sein. Auch Adelina selbst hatte Jahre später die Hilfe der weisen Frau mehr als einmal in Anspruch genommen. Seither verband die beiden eine innige Freundschaft.
Tilmann war noch mehrmals kurz aufgewacht, nicht zuletzt, um sich zu erleichtern. Die meiste Zeit hatte er jedoch geschlafen. Adelina fand, dass dies ein gutes Zeichen war. Schlaf, so wusste sie, war eines der besten Heilmittel überhaupt. Doch allmählich hoffte sie, er würde aus seinem Tiefschlaf erwachen und endlich in der Lage sein, ihr die brennenden Fragen zu beantworten, die ihr auf der Seele lagen.
Die Apotheke wollte sie heute nur bis zum Mittag öffnen. Da sich Mira und Griet ohne weiteres darum kümmern konnten, hatte sie beschlossen, heute Morgen die Wache am Krankenlager zu übernehmen. Magda hatte sie nach nebenan zu den Kornbläsers geschickt und dort ausrichten lassen, dass sie sich über einen Besuch von Marie freuen würde. Sie hatte zuletzt viel zu wenig Zeit mit der Freundin verbracht. Marie war eine kluge Frau, die noch dazu durch ihren Vater, der einst Ratsherr gewesen war und noch immer im Gremium der Vierundvierziger saß, recht gute Verbindungen zur städtischen Oberschicht besaß. Vielleicht konnte sie ihr helfen, zu ergründen, welchen Vorgängen Tilmann und Clais auf der Spur gewesen waren.
Möglicherweise hatte es etwas mit den Waffen im städtischen Zeughaus zu tun, vielleicht aber auch nicht. Nur weil Tilmann diese Aufzeichnungen in seinem Buch sammelte, bedeutete das noch nicht, dass sich dahinter unlautere Machenschaften verbargen. Ebenso gut konnte es sein, dass der Mord an Clais ganz andere Gründe hatte, und Tilmann nur angegriffen worden war, weil man einen möglichen Zeugen aus
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