Verschwörung im Zeughaus
Kopf wurde vorsichtig wieder auf das dünne Kissen gebettet. Zum Glück war der stechende Halm verschwunden. Das Trinken hatte ihn angestrengt, gleichzeitig aber auch erfrischt. Deshalb wagte er es jetzt, das Heben der Augenlider in Angriff zu nehmen. Es kam ihm vor, als hätte jemand schwere Gewichte darauf gelegt. Nur mit äußerster Konzentration schaffte er es, die Augen zu öffnen. Beim Anblick des faltigen Frauengesichts mit der langen Hakennase verzog er unwillig die Lippen. Die alte Kräuterhexe aus dem Wald. Was hatte ausgerechnet sie hier zu suchen? Reichte es nicht, dass er hilflos wie ein Säugling dalag und sich nicht rühren konnte? Wo befand er sich überhaupt? Um ihn herum war es finster. Lediglich das Licht einiger kleiner Talglämpchen erhellte den Raum. Es roch leicht muffig und gleichzeitig scharf nach den Heilkräutern. Die Orientierung fiel ihm schwer. Wenn er den Kopf zu schnell drehte, überkam ihn Schwindel. Dies war nicht Adelinas Haus! Auch nicht ihr Keller – zwar war er noch nicht oft in ihrem Laboratorium gewesen, aber dies hier war ganz sicher ein anderer Raum. Wohin hatten sie ihn gebracht? Hatten sie ihn überhaupt weit transportieren können? Den Schmerzen nach, die seine Wunden verursachten, war das wohl kaum möglich gewesen. Sein Blick wanderte über die Wände mit den Regalen, in denen sich Arzneidosen, Krüge und Haushaltsgegenstände aneinanderdrängten. Dann sah er sie – die Falltür schräg über ihm. Er konnte den Kopf nicht weit genug nach hinten drehen, um auch die Stiege zu erkennen, aber nun wusste er, wo man in hingebracht hatte. Erleichterung überkam ihn. Adelina hatte das Richtige getan.
Doch warum um alles in der Welt war die Falltür geschlossen und er mit der alten Ludmilla hier eingesperrt? Er drehte den Kopf langsam wieder zurück, bis die Alte in seinem Blickfeld erschien. Sie saß auf einem einfachen Hocker und betrachtete ihn aufmerksam.
«Na, da wird sich Adelina aber freuen, dass Ihr beschlossen habt, wieder unter uns zu weilen. Wollen wir hoffen, dass es auch so bleibt. Dass Ihr hier vor ein paar Tagen aufgetaucht seid, hat den Haushalt Eurer Schwester ganz schön durcheinandergewirbelt. Euer Ableben hätte allerdings sicherlich weit mehr Verdruss verursacht. Macht Euch darauf gefasst, dass sie Euch, sobald sie sieht, dass Ihr bei klarem Verstand seid, mit tausend Fragen überfallen wird. Ein paar hätte ich selbst ebenfalls, aber ich werde mich zurückhalten. Noch seid Ihr viel zu blass und schwach.» Die weise Frau stand auf, trat an die Matratze heran und beugte sich über ihn. Er spürte, wie sie an seinen Verbänden nestelte. Stöhnend hob er erneut seine Hand, um sie abzuwehren.
Die Alte lachte nur darüber. «Ei, Ihr seid ja widerspenstig. Lasst mich nur machen, ich will sehen, wie weit meine kleinen Freunde sind.»
Welche Freunde? War das alte Weib verrückt? Er hatte nicht die leiseste Ahnung, wovon sie sprach. Da sie ihm jedoch keinerlei Schmerzen zufügte, sondern bei der Untersuchung sehr vorsichtig mit ihm umging, beschwerte er sich nicht weiter. Wozu auch? In seinem derzeitigen Zustand konnte er doch nichts gegen sie ausrichten. Adelina schwor auf die Heilkünste des alten Weibes. Soweit er wusste, hatte Ludmilla noch nie jemandem absichtlich Schaden zugefügt. Zwar war ihm bekannt, dass sie eine Engelmacherin war, doch hatte das wohl kaum etwas mit ihm zu tun. Wenn sie ihn hätte umbringen wollen, wäre dies längst geschehen.
Das Denken strengte ihn an, trotzdem versuchte er sich zu erinnern, was in den letzten Tagen vorgefallen war. Wie lange lag er schon hier unten? Tage, hatte Ludmilla gesagt. Wie viele? Gern hätte er sie gefragt, aber er fühlte sich noch zu schwach zum Sprechen. Das musste erst einmal warten. Vielleicht, so überlegte er, war ein Nickerchen nicht schlecht. Ganz gleich, wie lange er bewusstlos gewesen war, auf ein paar Stunden mehr würde es jetzt auch nicht mehr ankommen. Erschöpft schloss er die Augen wieder.
«Ja, schlaft nur ruhig, Hauptmann Greverode. Aber gebt Euch Mühe, nicht noch einmal das Bewusstsein zu verlieren.» Ludmilla tupfte mit einem feuchten Lappen über sein Gesicht. Er hörte, wie sie das Tuch ins Wasser tauchte, und schauderte leicht, als die kalten, nassen Fasern erneut seine Stirn berührten. Diesmal ließ sie den Lappen dort liegen.
Als Neklas eine Stunde nach dem Vesperleuten von seinen Krankenbesuchen nach Hause kam, fand er Adelina, Mira und Griet am Küchentisch vor. Die drei
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