Verschwörung im Zeughaus
Stieftochter, nicht einen Pfifferling gab.
Während sich Adelina in der Apotheke daran begab, einige der komplizierteren Arzneien zuzubereiten, die sie am Nachmittag auszuliefern hatte, dachte sie weiter über Tilmann nach. Ihr selbst war er in der Anfangszeit ihrer Bekanntschaft äußerst unfreundlich begegnet. Nein, nicht unfreundlich, regelrecht garstig. Sie hatte den Eindruck gehabt, dass es ihm Freude bereitete, sie zu erniedrigen. Auch hatte er sie immer wieder für ihre Neugier gescholten und sich darüber aufgeregt, dass sie sich in die Angelegenheiten anderer Leute einmischte. Sie hatte ihm stets widersprochen, sich mit ihm gestritten. Wie oft, vermochte sie nicht mehr zu sagen. Auch heute noch gerieten sie häufig genug aneinander.
Seine frühere Gemeinheit ihr gegenüber hat er mittlerweile vollkommen abgelegt. Nachdem er ihr erzählt hatte, dass Sieglinde Merten auch seine Mutter gewesen war, hatte sich offenbar der in ihm aufgestaute Hass verflüchtigt. Noch immer trat er ihr oft missfällig gegenüber, jedoch war sie sich absolut sicher, dass er sich ihr gegenüber immer loyal verhalten würde. Das hatte er bei den Ereignissen vor drei Jahren schon bewiesen. Dass er nun in seiner Not bei ihr Zuflucht gesucht hatte, zeigte ihr, wie sehr er ihr vertraute.
Während Adelina nun die Zutaten für eine Lungenarznei im Mörser vermahlte, schlich sich ein ungeheuerlicher Gedanke in ihren Kopf. Gab es vielleicht einen Grund dafür, dass Tilmann so oft vorgab, zynisch und missbilligend auf sie alle herabzusehen? Seine Zornausbrüche glichen dem Brüllen eines Löwen und konnten eine wenig gefestigte Person durchaus umwehen. Doch weder Adelina noch Mira gaben ihm gegenüber gern klein bei. Selbstverständlich brachte ihn das noch mehr auf, doch was dann? Wirklich rabiat war er Adelina gegenüber noch nie geworden. Auch Mira gegenüber bestand immer die Gefahr, dass er sie zornig angriff, aber auch sie war bisher am Ende immer glimpflich davongekommen.
Adelina hielt in ihrer Arbeit inne. Je länger sie darüber nachdachte, desto stärker wurde der Verdacht, dass sie bei ihm bisher etwas übersehen oder vielmehr nicht in Betracht gezogen hatte, obgleich es doch so deutlich auf der Hand lag. Schon sein liebevoller Umgang mit den Kindern hätte sie darauf bringen müssen: Tilmann Greverode besaß ein weiches Herz.
Mit einem amüsierten Lächeln auf den Lippen beugte sich Adelina wieder über ihren Mörser. Es freute sie diebisch, diese Eigenschaft ihres Bruders endlich erkannt zu haben. Um des lieben Friedens willen, und weil sie wusste, dass es besser war, ihn sein Gesicht wahren zu lassen, würde sie diese Entdeckung natürlich für sich behalten – zumindest vorläufig.
[zur Inhaltsübersicht]
13. KAPITEL
A delina, wir sollten in Erwägung ziehen, Georg Reese die Wahrheit zu sagen.» Neklas saß aufrecht im Bett, den Rücken gegen das schwere hölzerne Kopfteil gelehnt. Er beobachtete seine Frau, die sich aus ihrem Wollkleid schälte und dieses ordentlich an einen Haken neben der Tür hängte. Dann schnürte sie ihre Schuhe auf und zog sie aus. Sie wusch sich rasch an der kleinen Waschschüssel, die auf dem Tisch unter dem Fenster stand. Anschließend entledigte sie sich auch noch ihres Unterkleides und schlüpfte ins Bett. Auch Neklas ließ sich unter die Decke gleiten und zog Adelina an sich, um sie zu wärmen.
«Wir kommen mit unseren Nachforschungen nicht weiter, wenn wir nicht wenigstens einen Mitwissenden im Stadtrat haben. Von Gerlach Haich sollten wir uns vorerst fernhalten. Was ich über ihn bisher in Erfahrung bringen konnte, lässt mich befürchten, dass er mehr durch Protektion denn durch Klugheit zum Vogt ernannt wurde. Zwar war ich auch nie ein Freund von Bertolff Scherfgin, doch er verstand zumindest etwas von der Juristerei.»
Adelina knabberte nachdenklich an ihrer Unterlippe. «Ich muss morgen noch einmal versuchen, mit Reese zu sprechen. Er scheint sehr beschäftigt zu sein, deshalb hat er sich wohl nicht mehr bei uns sehen lassen. Glaubst du wirklich, wir können das Risiko eingehen, ihm zu verraten, dass Tilmann bei uns ist? Versteh mich nicht falsch, ich bin sicher, er würde uns schon der alten Freundschaft wegen nicht verraten. Aber damit würde er sein Amt aufs Spiel setzen. Können wir ihm das wirklich zumuten?»
«Ich weiß, was du meinst.» Neklas schwieg für einen Moment und streichelte scheinbar unbewusst immer wieder über Adelinas linke Schulter. «Reese ist aber der
Weitere Kostenlose Bücher