Verschwörung im Zeughaus
vor Jahren – sie war gerade acht Jahre alt gewesen – von einer Reise in seine Heimatstadt Kortrijk mitgebracht. Ihre Mutter, eine ehemalige Schlupfhure und mittlerweile mit einem Schankwirt verheiratet, war verstorben. Griets Stiefvater hatte das Kind stark vernachlässigt, sogar an Freier verkauft. Das hatten Adelina und Neklas allerdings erst später herausgefunden. Mittlerweile, so glaubte Adelina, hatte Griet die schlimmen Erlebnisse weitgehend verarbeitet. Die Scheu vor Männern war jedoch geblieben, und das konnte Adelina nur zu gut verstehen. Für ein junges Mädchen war es generell nicht unangebracht, sich in Gegenwart von Männern zurückzuhalten. Umso seltsamer erschien ihr nun Griets Ausrede, sie habe nach Tilmann gesehen.
Innerlich seufzend machte sich Adelina nun ebenfalls wieder an ihre Arbeit. Sich den Kopf zu zerbrechen brachte nichts. Griet war fast 16 Jahre alt, in diesem Alter hatten Mädchen schon ihre kleinen Geheimnisse. Mira war da nicht anders gewesen. Und, so überlegte Adelina, daran hatte sich bei ihrer Gesellin bis heute nicht allzu viel geändert. Manchmal fragte sie sich, was wohl in Miras Kopf vorging. Mit ihren mittlerweile 19 Jahren war sie eine ansehnliche junge Frau geworden, und es war sicherlich nur noch eine Frage der Zeit, bis ihr Stiefvater sie verheiraten würde. Das hätte er vermutlich längst getan, wenn Adelina ihm nicht das Versprechen abgenommen hätte, Mira erst ihre Ausbildung zur Apothekerin abschließen zu lassen. Und nicht nur sie, sondern auch Tilmann hatte den Grafen von Raderberg dahingehend überredet. Nachdem sich Mira so vehement geweigert hatte, den Hauptmann der Stadtsoldaten zu ehelichen, hatte dieser ein gutes Wort für sie eingelegt. Ihr Stiefvater hätte sie ansonsten vermutlich sogleich dem nächsten Mann angeboten. Adelina war nicht wenig überrascht gewesen, dass Tilmann Mira diesen Gefallen tat. Mittlerweile glaubte sie zu wissen, was ihn dazu gebracht hatte. Es war seine Art des Dankes, da Mira einen nicht unbeträchtlichen Anteil daran gehabt hatte, Adelina aus den Fängen jenes wahnsinnigen Geistlichen zu befreien, der sie vor drei Jahren beinahe im Zuge seiner teuflischen Rituale ermordet hätte.
Tilmann hätte auch ganz anders auf Miras Ablehnung reagieren können. Er hatte den Heiratsvertrag mit ihrem Stiefvater bereits abgesprochen. Es wäre sein gutes Recht gewesen, darauf zu bestehen. Ein junges Mädchen hatte in dieser Hinsicht gemeinhin kein Mitspracherecht. Öffentlich hätte ihr Stiefvater sie natürlich nicht zu der Hochzeit zwingen können. Doch er hätte sie ganz sicher unter Druck gesetzt, seinen Wünschen zu entsprechen.
Im Hinblick auf Miras Temperament und ihr ausgesprochen loses Mundwerk war es allerdings eine gute Entscheidung von Tilmann gewesen, ihr ihren Willen zu lassen. Adelina mochte sich gar nicht vorstellen, was geschehen wäre, wenn die beiden tatsächlich geheiratet hätten. Um ihre Mundwinkel zuckte es bei diesem Gedanken. Die beiden hätten sich vermutlich schon in der Hochzeitsnacht gegenseitig die Köpfe eingeschlagen. Mira war einfach zu frech und vorlaut, Tilmann auf der anderen Seite stur und missbilligend. Allzu oft hatte er bereits Adelina gegenüber deutlich gemacht, wie sehr ihm widerspenstige Frauen gegen den Strich gingen. Sie konnte sich noch daran erinnern, dass er selbst zugegeben hatte, sein Seelen- und Hausfrieden sei ihm wichtiger als eine Ehe mit einem adeligen Mädchen, das sich ihm derartig widersetzte.
Seither waren die beiden einander aus dem Weg gegangen, soweit dies möglich gewesen war. Doch sobald sie aufeinandertrafen, flogen häufig schon nach Minuten die Fetzen. Wieder unterdrückte Adelina ein Schmunzeln, runzelte jedoch gleichzeitig nachdenklich die Stirn. Bei Lichte besehen kam es ihr ein wenig merkwürdig vor, dass sich Tilmann zwar immer wieder mit Mira anlegte – und dabei auch nicht selten in Zorn geriet –, doch sie niemals grob in die Schranken wies, wie man es bei seinem Temperament vielleicht erwarten konnte. Auch hatte er sich, soweit Adelina wusste, Miras Stiefvater gegenüber niemals über die junge Frau beschwert. Das hätte nämlich zur Folge haben können, dass der Graf von Raderberg seine Stieftochter für ihren Ungehorsam und ihre Frechheit bestrafte.
Adelina war dem Grafen bisher zwar nur selten begegnet, aber diese wenigen Zusammentreffen hatten ausgereicht, um ihr klarzumachen, dass dieser Mann auf den Willen einer Frau, speziell den seiner
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