Verschwörung in Florenz
nicht Giuliano de Medici?« Er schnalzte mit der Zunge. »Obwohl ich fürchte, dass Lorenzos kleiner Bruder keine Gelegenheit haben wird, sich an seiner Vaterschaft zu erfreuen.«
Giacomo lächelte in sich hinein, als gäbe es irgendwo eine Wahrheit, die nur er kannte. Cosimo lief ein Schauer über den Rücken. Er hatte Recht gehabt, Giacomo plante irgendeine Teufelei.
»Was willst du damit sagen?«
Giacomo zuckte mit den Schultern, lächelnd, siegessicher.
»Nichts. Man hört nur so dieses und jenes …«
Diesen Gesichtsausdruck kannte Cosimo nur zu gut. Es war derselbe wie bei Giulio de Pazzis Tod. Bebend vor Zorn warf er alle Bedenken beiseite und packte Giacomo am Kragen.
»Ich sage dir, wenn du irgendetwas tust, das Signorina Anne, Giuliano oder wem auch immer schaden könnte, dann …«
»Was willst du tun, Cosimo?«, fragte Giacomo mit sanfter Stimme. »Ich bin das Oberhaupt einer angesehenen Familie. Du vergisst jedoch, wer du selbst bist – ein Ausgestoßener, ein Verrückter, der geduldet wird, weil der Einfluss seiner Familie es den anderen Bürgern verbietet, ihn aus der Stadt zu verjagen. Was immer du tust, was immer du auch erzählen magst, du wirst derjenige sein, der im Kerker landen wird, nicht ich. Du kannst mich nicht aufhalten.«
»Und weshalb bist du dir da so sicher?«, zischte Cosimo. Er packte fester zu, und zu seiner großen Genugtuung merkte er, dass Giacomos Mundwinkel zuckten, als würde ihm das Lächeln nicht mehr ganz so leicht fallen. »Du hast Recht, es heißt, ich sei verrückt, besessen von einem Dämon. Was sollte mich also daran hindern, dich zu töten?« Seine Hand glitt an Giacomos Kehle. Er fühlte den Herzschlag unter seinen Fingern – zitternd, pochend, wie der Herzschlag eines verschreckten Tieres. Ein Gefühl der Macht durchströmte ihn. Es war erregend und erschreckend zugleich. Und für einen kurzen Augenblick schoss ein unangenehmer Gedanke durch seinen Kopf. Er durchzuckte sein Hirn wie ein Blitz, der selbst die finsterste Nacht für die Dauer eines Wimpernschlages in gleißendes Licht zu tauchen vermag: War vielleicht gar nicht Giacomo derjenige, dem das Elixier den Verstand geraubt hatte? War er es, der die Wirklichkeit verzerrt durch den Schleier des Wahnsinns sah? Doch ebenso wie ein Blitz war auch dieser Gedanke so rasch wieder verschwunden, wie er gekommen war. »Ich könnte deinem jämmerlichen Dasein ein Ende bereiten. Hier und jetzt. Ich könnte so lange zudrücken, bis ich das Leben aus dir herausgepresst habe wie den Saft aus einer reifen Traube. Niemand könnte mich daran hindern. Und hinterher würde es lediglich heißen, der Dämon habe von mir Besitz ergriffen.«
»Du … du sagtest doch selbst, dass wir nicht sterben …«, stieß Giacomo aus und schnappte mühsam nach Luft. Seine Wangen verloren Farbe, und seine Lippen nahmen einen bläulichen Ton an. Seine Finger krallten sich um Cosimos Hand in dem verzweifelten Versuch, sie von seiner Kehle fortzureißen.
»In all den Jahren, die wir im Besitz des Elixiers sind, hast du dir nie die Mühe gemacht, danach zu forschen«, sagte Cosimo, ohne seinen Griff zu lockern. »Ich habe es getan. Ich habe die alten Schriften studiert. Und ich habe herausgefunden, dass Alter und Krankheit uns nichts mehr anhaben können. Doch dies gilt nicht für ein scharfes Messer – oder die Hand eines wohlmeinenden Freundes an der Kehle. Sie vollbringen ihr Werk ebenso wie bei anderen Menschen. Das Ergebnis ist der Tod.«
Die Lüge kam Cosimo leicht und mühelos über die Lippen. In all den Jahren, die seit jenem verhängnisvollen Tag vergangen waren, an dem es ihnen gelungen war, die Schrift mit dem Symbol des Falken zu entschlüsseln, hatte er zwar nach einer Antwort auf diese Fragen geforscht – voller Hoffnung und Verzweiflung –, doch er hatte nichts gefunden. Niemand schien etwas über das Elixier zu wissen. Selbst die römischen und griechischen Gelehrten schwiegen sich darüber aus, und die Hexe, der einzige Mensch, der vermutlich etwas darüber wusste, blieb unauffindbar. Aber Giacomo hatte keine Ahnung davon, und in diesem Moment erfüllte die Lüge ihren Zweck. Giacomo wurde bleich, aber nur für kurze Zeit. Dann glomm ein Funke in seinen Augen auf, und die Farbe kehrte in sein Gesicht zurück.
»Du magst Recht haben, Cosimo. Und dennoch weiß ich, dass du mich nicht töten wirst. Du würdest selbst dein Leben verlieren – auf dem Schafott unter dem Beil des Henkers oder in den Flammen des
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